Sie wollten bei einer Kreuzfahrt Asien erkunden. Doch das neuartige Coronavirus hat ihnen einen Strich durch die Reiseplanung gemacht. Seit Tagen sitzen Tausende an Bord von Schiffen fest. Deutsche erzählen, wie sie mit ihrer teils „sehr surrealen“ Lage umgehen.

Yokohama/Sihanoukville - Ständig dieses mulmige Gefühl. Habe ich mich mit dem neuen Coronavirus angesteckt? „Angst ist jetzt zuviel. Aber die Möglichkeit, dass es eben doch Infektionen gegeben haben kann in der Quarantänezeit, kann ja keiner ausschließen“, schildert Martin Lutterjohann mit ruhiger Stimme. Seit Tagen sitzen der pensionierte Psychotherapeut aus München und seine japanische Frau Sakae in ihrer fensterlosen Kabine an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Diamond Princess“ in Yokohama nahe Tokio, der Heimat seiner Frau. Wenn alles gut geht, werden die beiden am Mittwoch von Bord gehen können. „Uns geht es gut, wir sind beide gesund, negativ getestet.“

 

Das Schiff steht seit zwei Wochen unter Quarantäne. Anlass war der Fall eines 80-Jährigen aus Hongkong, der positiv auf das Virus getestet worden war. Der Mann war am 20. Januar in Yokohama zugestiegen und fünf Tage später in Hongkong von Bord des Kreuzfahrtschiffes gegangen. Bisher sind 454 der über 3000 Passagiere und Crewmitglieder positiv getestet worden, 20 Betroffene sollen schwere Symptome haben. Bis Montag lagen allerdings erst für 1723 Menschen von Bord die Testergebnisse vor. Alle Infizierten werden in Kliniken betreut.

Deutsches Ehepaar seit Sonntag im Krankenhaus

Während die Amerikaner am Montag mehrere Hundert ihrer Landsleute heimholten, vertraut Lutterjohann vorerst darauf, dass die Quarantäne auf dem Schiff letztlich funktioniert. „Aber es gibt natürlich ein bisschen dieses Unsicherheitsgefühl. Ist das hier sicher gewesen oder nicht?“, schildert Lutterjohann der Deutschen Presse-Agentur in Tokio über Skype. Dennoch fühle er sich an einem „bequemen, sicheren Ort“. Ähnlich gehe es auch anderen, mit denen sie telefonisch oder über WhatsApp in Kontakt stünden, darunter einzelne der noch acht Deutschen an Bord.

„Wir nehmen die Sache locker, entspannt. Wir machen uns keinen unnötigen Stress“, erzählt Lutterjohann und lächelt. „Immer natürlich vor dem Hintergrund, dass wir jetzt nicht in eine Falle geraten sind und positiv getestet werden. Dann kippt natürlich irgendetwas. Ich weiß nicht, wie es dann ist“, so der Deutsche. Ein deutsches Ehepaar, mit dem er und seine Frau über WhatsApp in Kontakt kamen und das keine Symptome gezeigte habe, wurde positiv getestet und liegt seit Sonntag in einem lokalen Krankenhaus.

Es sei sehr langweilig

Lutterjohann ist gelernter Psychotherapeut und Psychologe, das hilft ihm, mit der Isolation an Bord des Schiffes umzugehen. Er bot seine professionelle Hilfe an - aber er muss in seiner Kabine bleiben. Da die keine Fenster hat, dürfen er und seine Frau seit einigen Tagen zwei Mal pro Tag für jeweils eine Stunde an die frische Luft. „In dem Moment, wo wir an die Kabinentür gehen, legen wir sofort die Maske an, wenn wir Essen empfangen, wenn wir rausgehen sowieso“, erzählt er. Auf jedem Treppenabsatz stehe Desinfektionsmittel. „Da sollte eigentlich nichts passieren“.

Seit einigen Tagen werde das Essen zudem „vollverpackt“ und damit sicherer als zuvor an der Kabinentür serviert. Vergangene Woche habe jeder ein iPhone mit Internetzugang bekommen, so Lutterjohann. Einmal habe man ihnen Bettwäsche gebracht, die sie selbst wechselten. Am Samstag erhielten sie zudem Putzmittel. Einzig saugen könnten sie nicht, das „vielleicht größte Manko“.

Ansonsten sei es in der Kabine „natürlich langweilig“. Er könnte Filme schauen, doch seinen Laptop überlässt er seiner Frau, damit sie japanische Nachrichten sehen kann. Da sie inzwischen negativ getestet seien und das nötige Gespräch mit einem Medizinerteam absolviert hätten, hätten sie jetzt „eigentlich gute Chancen, dass wir mit zu den ersten gehören, die am 19. rauskönnen“, ist Lutterjohann zuversichtlich. Dann würden sie das machen, was sie von vornherein geplant hatten: noch eine Woche Tokio dranhängen.

Deutsche sind unterdessen auch noch an Bord der „Westerdam“ in Kambodscha. Mehrere asiatische Länder hatten dem Kreuzfahrtschiff aus Sorge vor einer möglichen Einschleppung des Virus Sars-CoV-2 das Anlegen untersagt - ohne dass Infektionen an Bord bekannt waren. Erst Kambodscha stimmte dem Andocken schließlich zu. Überraschend wurde am Wochenende eine Amerikanerin auf der Heimreise in Malaysia positiv getestet. Das änderte die Situation für die „Westerdam“ erneut und warf die Pläne der Heimkehrer durcheinander.

Reisende sollen auf das Virus getestet werden

Unter den Reisenden waren laut Reederei 57 Deutsche. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind noch einige an Bord des Luxusliners im Hafen von Sihanoukville, während andere bereits die Heimreise angetreten haben. Nach Angaben der Reederei werden die heimgekehrten Passagiere von ihren örtlichen Gesundheitsbehörden kontaktiert. Einige Reisende sind noch in einem Hotel in der Hauptstadt Phnom Penh und werden dort getestet, wie die US-Passagierin Christina Kerby bei Twitter schrieb.

Nach jüngsten Angaben waren insgesamt noch fast 1000 Menschen an Bord der „Westerdam“, darunter etwa ein Viertel Urlauber. Die Reisenden sollen auf das Virus getestet werden - bei den bisher bekannten Ergebnissen war kein neuer Fall dabei, wie der aus Mainz stammende Passagier Markus König der dpa am Montag schilderte. Eine Durchsage des Kapitäns habe sie darüber informiert. Die Proben würden mit einem Hubschrauber nach Phnom Penh geflogen, dann müssten sie auf das Ergebnis warten. „So lange sind wir hier.“ König rechnet damit, dass sich der Heimflug um einige Tage verzögern könnte.

Stimmung sei leicht sarkastisch

Den 53-Jährigen, der in der Pharmabranche arbeitet, und seinen Partner erwischte es auf einer Hochzeitsreise. Unterwegs gab es immer neue Informationen, das Paar hat nach eigenen Angaben bereits zum fünften Mal seinen Flug umgebucht. Das sei alles eine „sehr surreale Situation“, sagt König. „Aber die Versorgung hier ist ausgezeichnet.“ Die Gäste könnten sich demnach frei bewegen. „Am Pooldeck ist es schön.“

Um ihre Gesundheit machten sich die Menschen an Bord keine Sorgen, ist sein Eindruck. Die Stimmung sei leicht sarkastisch, aber auch optimistisch. Die Passagiere sind demnach zusammengerückt, auch mit der Crew. „Man ist viel im Austausch.“ Er hofft nun, dass sich die Heimreise nicht mehr allzu lange verzögert und er in Deutschland nicht in Quarantäne muss.