Südöstlich von Mailand nahm ein Busfahrer 51 Jugendliche als Geiseln und setzte den Bus in Brand. Polizisten zerschlugen die Fenster, um die Kinder zu retten.

Mailand - In letzter Minute hat die italienische Polizei eine Tragödie verhindert: Sie befreite 51 Schüler aus der Gewalt ihres Busfahrers, der in dem Fahrzeug Benzin ausgoss und es in Brand setzte. Der Mailänder Staatsanwalt Francesco Greco sprach nach der Geiselbefreiung am Mittwoch von einem „Wunder“. Die Polizisten hätten sich vorbildlich verhalten und ein „Blutbad“ verhindert. Der aus dem Senegal stammende Fahrer wollte mit seiner Tat nach Angaben seines Anwalts auf den Tod afrikanischer Flüchtlinge im Mittelmeer aufmerksam machen. Die Schüler einer Oberschule kehrten in Begleitung von drei erwachsenen Betreuern von einem Sportausflug zurück, als der Fahrer plötzlich die Route änderte und verkündete, dass sie seine Geiseln seien. „Niemand kommt hier lebend raus!“ rief der Mann nach Berichten mehrerer Schüler.

 

„Drei Kinder im Meer verloren“

Der Fahrer habe zwei volle Benzinkanister und ein Feuerzeug gehabt und ihnen die Handys abgenommen. Die Betreuer zwang er, die Kinder mit Stromkabeln zu fesseln. Einem der Jugendlichen gelang es, das Handy eines Mitschülern vom Boden aufzuheben und seine Eltern anzurufen, die die Polizei verständigten. Die Polizisten blockierten den Bus in San Donato Milanese südöstlich von Mailand und schlugen dessen hintere Fenster ein. Während das Fahrzeug in Flammen aufging, retteten sie die Kinder und brachten sie ins Freie. Der Fahrer habe immer wieder gesagt, dass „so viele Menschen in Afrika sterben und dass das die Schuld von (Vizeregierungschef Luigi) Di Maio und (Innenminister Matteo) Salvini ist“, berichtete eine Schülerin. Der Mann habe gerufen, er habe „drei Kinder im Meer verloren“, sagte ein Schüler laut italienischen Medienberichten.

Tat eines Einzelnen

Der oberste Anti-Terror-Ermittler der Region Mailand, Alberto Nobili, sprach von der Tat eines Einzelnen ohne Verbindung zum radikalen Islamismus. Der Fahrer habe seine Tat seit mehreren Tagen geplant. Sein Ziel sei es gewesen, „dass alle Welt von seiner Tat spricht“. Im Internet habe er ein Video veröffentlicht, in dem er Afrika aufrief, „sich zu erheben“. Nach Angaben seines Anwalts wollte der Mann „die Aufmerksamkeit auf die Folgen der Einwanderungspolitik lenken“. Laut Staatsanwalt Greco rammte der Bus ein Auto, dessen Insassen - ein Vater und sein Sohn - sich in Sicherheit bringen konnten, bevor es in Flammen aufging. Sowohl der Bus als auch das Auto brannten völlig aus. Zuvor hatte der Bus bereits eine Polizeisperre durchbrochen. Etwa ein Dutzend Schüler und zwei der erwachsenen Begleiter wurden mit leichten Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht.

Vorwurf des „Terrorismus“

Der Fahrer musste wegen Verbrennungen an den Händen behandelt werden. Ihm werden Geiselnahme, ein versuchtes „Massaker“ und Brandstiftung zur Last gelegt, erschwerend kommt der Vorwurf des „Terrorismus“ hinzu. Das Innenministerium teilte mit, es werde geprüft, ob dem 47-Jährigen die italienische Staatsbürgerschaft entzogen werden könne, die er seit 2004 hat. Die italienische Regierung aus der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Lega-Partei und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat die Einwanderungspolitik extrem verschärft und lässt praktisch keine Flüchtlinge mehr ins Land. Der Mann arbeitete seit 15 Jahren als Schulbusfahrer. Laut italienischen Medienberichten wurde ihm 2007 wegen Alkohols am Steuer vorübergehend der Führerschein abgenommen, sein Arbeitgeber sei jedoch nicht darüber informiert worden. 2018 wurde er demnach wegen sexueller Belästigung Minderjähriger zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Auch davon habe sein Arbeitgeber nichts gewusst.