Um die Mieten zu senken, muss laut einer Studie mehr gebaut werden. Es fehlt aber auch an Personal – und an Fantasie.

Stuttgart - In den baden-württembergischen Ballungszentren wird zu wenig gebaut, um den Wohnungsbedarf zu decken und das Steigen des Mietniveaus einzudämmen. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer bundesweit angelegten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Bundesweit rechnen die Forscher zwar aufgrund des demografischen Wandels mit einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. Gerade in den Ballungszentren bleibe die Lage bei dem Bautempo aber schwierig.

 

In den Stadtkreisen Freiburg und Karlsruhe sowie im Kreis Ludwigsburg klafften der Bedarf und die Bautätigkeit besonders weit auseinander. Dort würden weniger als die Hälfte der notwendigen Wohnungen errichtet. In Freiburg liege die Quote bei 41 Prozent, in Karlsruhe und Ludwigsburg bei 48 Prozent. In zehn weiteren der insgesamt 44 Land- oder Stadtkreise in Baden-Württemberg reiche die Bautätigkeit nur aus, um 50 bis 70 Prozent des Bedarfs zu befriedigen. Dazu zählen der Kreis Esslingen (54 Prozent), die Stadtkreise Mannheim (55 Prozent) und Stuttgart (56 Prozent), aber auch Heidelberg, der Rhein-Neckar-Kreis, der Stadtkreis Pforzheim (jeweils 60 Prozent) oder der Rems-Murr-Kreis (66 Prozent). Auch in Konstanz (64 Prozent) und Lörrach (62 Prozent) und im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (69 Prozent) klafften das Angebot, die Nachfrage und die Bautätigkeit weit auseinander.

In 13 Kreisen im Land wird zu wenig gebaut

Stuttgart hinkt laut der IW-Studie unter den sieben größten Städten in Deutschland hinterher. In der Landeshauptstadt wurden seit 2011 im Vergleich zu Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main und Düsseldorf fast immer die wenigsten Baugenehmigungen erteilt. Nur 2014 bewilligte Düsseldorf weniger Neubauten. In München (12 581) wurden 2018 sechsmal so viele Baugenehmigungen erteilt wie in Stuttgart (2100). In Frankfurt mit 750 000 Einwohnern waren es mehr als dreimal so viele.

Für Stuttgart ist keine Entspannung in Sicht

Passend dazu landet die Schwabenmetropole auch bei der Zahl der Baufertigstellungen seit 2011 praktisch durchgängig auf dem letzten Platz unter den so genannten A-Städten in Deutschland. Trotz des demografischen Wandels und der geringeren Zuwanderung sieht das IW deshalb für Stuttgart vorerst keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.

Der Ökonom Ralph Henger, einer der Autoren der Studie, plädiert dafür, „Bedarf und Angebot zusammenzubringen“ und mehr zu bauen. „Kurzfristig muss man sich aber andere Lösungen überlegen.“ Eine davon wäre die Beseitigung der Leerstände. Bundesweit stehen 1,94 Millionen Wohnungen leer, das entspricht einer Quote von 4,7 Prozent. Auch in vielen Kreisen im Land, in denen laut der Studie deutlich unter dem Bedarf gebaut wird, liegen die Leerstandsquoten überdurchschnittlich hoch – etwa in Ludwigsburg, Esslingen oder im Rems-Murr-Kreis.

„Die Baubehörden brauchen mehr Personal“

Den Kommunen fehle es an Personal, aber auch an Fantasie, kritisiert Henger. „Die Baubehörden müssten personell aufgestockt werden“, sagt er, es dauere zu lange, bis Bauvorhaben die Verwaltungsmühlen durchlaufen hätten. Auch das gezielte Ansprechen von Eigentümern leer stehender Wohnungen oder Baugrundstücke werde lediglich in Tübingen praktiziert. Die Stadt hat im April 220 Eigner von Brachflächen angeschrieben und aufgefordert, ihre Grundstücke zu bebauen.

Ein Teil des Problems sei auch der so genannte Remanenzeffekt: Junge Familien bauen ein Haus, die Kinder werden groß und ziehen aus – und „die Älteren verharren in ihren Wohnungen“. Dieser Effekt wird, neben den steigenden Einkommen und der immer größeren Zahl an Singlehaushalten, mit verantwortlich dafür gemacht, dass jeder Einzelne immer mehr Wohnfläche beansprucht, was den Markt zusätzlich unter Druck setzt.

Staatliche Anreize könnten Ältere zum Umzug bewegen

So hat jeder Baden-Württemberger 2018 durchschnittlich 46,1 Quadratmeter bewohnt. 20 Jahre zuvor waren es noch 39,5. Der Trend ist ungebrochen. Prognosen zufolge wird deutschlandweit jeder mehr als 50 Quadratmeter Wohnraum beanspruchen. „Der Staat fördert den Remanenzeffekt“, sagt Henger. Die hohen Grunderwerbsteuern erschwerten es Älteren, sich vom zu groß gewordenen Familiendomizil zu trennen. Nicht nur die Senkung der Grunderwerbsteuern könnten Anreize für Ältere sein. Auch Umzugshilfen seien denkbare Förderungen.