Bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington wird viel Kritik an den zu geringen Investitionen Deutschlands laut. Den Bundesfinanzminister Olaf Scholz lässt das kalt.

Washington - Die Deutschen haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass sich die Blicke der internationalen Partner verstärkt auf sie richten, wenn die Wirtschaft in Europa und darüber hinaus an Schwung verliert. Seit Jahren sehen sich wechselnde Bundesregierungen dem Vorwurf ausgesetzt, zu wenig zu investieren und eine Mitverantwortung zu tragen für die europäische Wachstumsschwäche.

 

Aussichten für die Weltkonjunktur sind mau

Dieser Vorwurf ist gerade auch wieder in Washington zu hören, wo dieser Tage das Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank stattfindet. Die Aussichten für die Weltkonjunktur sind mau. Zwar ist keine Rezession in den großen Volkswirtschaften zu erwarten, aber die Wirtschaft wächst weltweit doch deutlich langsamer als noch vor einigen Monaten erwartet. Verantwortlich dafür sind vor allem politische Faktoren – etwa die Handelskonflikte der USA mit Europa und China sowie das Risiko eines chaotischen Austritts Großbritanniens aus der EU. Die große Frage in Washington ist, wie dem am klügsten zu begegnen ist.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich vorgenommen, bei seinen Gesprächen in der amerikanischen Hauptstadt Konjunktur-Optimismus zu verbreiten und ansonsten sämtliche Forderungen nach mehr staatlichen Investitionen an sich abprallen zu lassen. „Ich glaube, dass es jetzt das Wichtigste ist, die politischen Risiken zu beseitigen“, sagte er kurz vor Beginn der Beratungen. „Es ist unsere Aufgabe, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit Unternehmen und Verbraucher investieren“, so Scholz. Ohnehin sagt der Minister bei jeder Gelegenheit, dass sich die deutschen Investitionen auf Rekordniveau bewegten. Rund 40 Milliarden Euro hat Scholz dafür bis 2023 pro Jahr eingeplant.

Frankreichs Finanzminister Le Maire gibt den Ton an

Andere Regierungen in Europa sind überzeugt, dass es nicht reicht, nur die politischen Risiken zu beseitigen und zu hoffen, dass sich der Rest dann ergeben werde. Den Ton setzte vor den Beratungen in Washington Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Er meldete sich per Interview in der „Financial Times“ zu Wort und regte einen „neuen Wachstumspakt für die Eurozone“ an.

Le Maires Idee: Staaten mit Haushaltsüberschüssen wie Deutschland, die Niederlande und Finnland sollten mehr investieren, während weniger wettbewerbsfähige Länder wie Frankreich ihren Reformkurs fortsetzen und ihre öffentlichen Finanzen stärken sollten. Dies solle durch eine weiter lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank begleitet werden. Außerdem müsse die Eurozone grundlegende Reformvorhaben zu Ende bringen, einschließlich der Vollendung der Bankenunion, des gemeinsamen Marktes für Kapital sowie der Schaffung eines Eurozonen-Budgets.

Nicht mit Deutschland abgesprochen

Le Maires Vorstoß war dem Vernehmen nach nicht mit der deutschen Seite abgesprochen. Die Franzosen sind derzeit ohnehin schlecht auf die Bundesregierung zu sprechen. Staatspräsident Emmanuel Macron und sein Finanzminister Le Maire nehmen den Deutschen übel, dass sie den französischen Reform-Elan für Europa nicht teilen.

Ein besonders großes Ärgernis ist aus Pariser Sicht das Gezerre um das Eurozonen-Budget. Die Idee für einen gemeinsamen Investitionshaushalt stammt ursprünglich von Macron. Die schwarz-rote Koalition in Berlin hielt die Franzosen hierbei jedoch monatelang hin und dampfte die Ideen dann gehörig ein. Inzwischen hängt das Projekt im Brüsseler Gestrüpp fest. Und Macron muss sich kurz vor den EU-Wahlen daheim in Frankreich den Vorwurf gefallen lassen, auf der europäischen Bühne bisher wenig bewirkt zu haben.

Weidmann sieht keinen dramatischen Abschwung

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagte am Freitag in Washington mit Blick auf die jüngsten französischen Vorschläge: „Das Konjunkturbild ist jetzt nicht das eines dramatischen Abschwungs, das Konjunkturpakete erforderlich machen würde.“ Er gehe vielmehr davon aus, dass es derzeit nur eine Delle im Wachstum gebe und die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder verstärkt Fahrt aufnehmen werde.

In den vergangenen Wochen hatten Wirtschaftsforscher und Regierungen reihenweise ihre Konjunkturprognosen nach unten korrigiert. Die Aussichten für die Wirtschaft sind international deutlich eingetrübt. Der IWF rechnet für Deutschland in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 0,8 Prozent, im vergangenen Sommer hatten die Experten noch ein Plus der Wirtschaftsleistung um 2,1 Prozent vorhergesagt. 2020 soll die deutsche Wirtschaft aber wieder um 1,4 Prozent wachsen. Die Weltwirtschaft wird der IWF-Prognose zufolge im laufenden Jahr um 3,3 Prozent wachsen nach 3,6 Prozent im Vorjahr. Es wäre die geringste Zunahme seit Beginn der Finanzkrise 2009. Die Wirtschaft im Euroraum soll der Prognose zufolge um 1,3 Prozent zulegen.

IWF-Chefin Lagarde richtet Appell an die USA

US-Präsident Donald Trump, dessen Handelspolitik als eines der Hauptrisiken für die Weltkonjunktur gilt, wird am Frühjahrstreffen in Washington nicht persönlich teilnehmen, aber dennoch allgegenwärtig sein. Den Europäern droht er immer wieder mit neuen Strafzöllen, unter anderem auf Autos. Das würde insbesondere die deutschen Hersteller treffen.

IWF-Chefin Christine Lagarde richtete am Donnerstag in der US-Hauptstadt einen dramatischen Appell an die politisch Verantwortlichen, die Krisen nicht noch weiter eskalieren zu lassen. „Wir erleben einen Moment der Unsicherheit“, sagte sie mit Blick auf die schwächelnde Weltkonjunktur. „Verursacht keine Schäden“, forderte Lagarde. Neue Zölle seien nichts anderes als „selbst zugefügte Wunden“.