Die Stadt Stuttgart hat im vergangenen Jahr 231 Millionen Euro Überschuss erzielt, das ist 100 Mal mehr als geplant. Die weiteren Aussichten sind gut. Und dennoch will die Stadt sparen.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart hat im vergangenen Jahr einen Überschuss von 231 Millionen Euro erwirtschaftet, geplant waren gerade einmal 2,4 Millionen Euro. Insgesamt nahm Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sogar 460 Millionen Euro mehr ein als er ausgab. Ausschlaggebend für das „sehr zufriedenstellende Ergebnis“, so OB Fritz Kuhn (Grüne) bei der Präsentation des Jahresabschlusses 2016, des Zwischenberichts fürs laufende Jahr und der Eckdaten für die anstehenden Beratungen für den Etat 2017/2018, waren vor allem höhere Steuereinnahmen und Zuweisungen des Landes, aber auch der Umstand, dass finanzierte Baumaßnahmen, etwa im Schulbereich, wegen Personalmangels verschoben werden mussten. Die von einem Haushaltsjahr ins nächste überschwappende „Bugwelle“ im investiven Bereich ist auf mehr als eine halbe Milliarde Euro angewachsen. Trotz aller Probleme waren 2016 aber 367,5 Millionen Euro verbaut worden. „Ein Rekordwert“, so Föll.

 

Kritik trotz Rekordergebnis 2016

Dennoch setzt er den Rotstift an. Pro Jahr sollen 29 Millionen Euro eingespart werden durch Gebührenerhöhungen, Stellenstreichungen und das Absenken von Standards. „Der Jahresabschluss 2016 belegt eindrucksvoll, dass die Stadt im Geld schwimmt“, meint indes SPD-Fraktionschef Martin Körner. Anders als behauptet, erwirtschafte die Stadt Überschüsse und keine Defizite. Da mute die Streichliste seltsam an. „Angesichts von Millionenüberschüssen sind solche Kürzungen bei kommunalen Kernaufgaben eine Politik aus Absurdistan“, erklärte Körner.

Im Gemeinderat herrscht Unmut über den Gegensatz von Planzahlen und Jahresergebnis. Es wird geklagt, Föll rechne die Stadt arm und verhindere in Budgetgesprächen und Etatberatungen Anpassungen an gestiegene Anforderungen. Seit 2006 haben sich die tatsächlich erzielten Einnahmenüberschüsse gegenüber Fölls Planansätzen auf mehr als zwei Milliarden Euro summiert, weshalb im Nachhinein stets auf die angedrohte Darlehensaufnahmen verzichtet werden konnte; ausgenommen sind zinslose Kredite für den Flüchtlingsbereich. Stattdessen wurde kräftig getilgt, der Stadthaushalt ist mit 58,4 Millionen Euro verschuldet, das sind pro Einwohner 94 Euro. Allerdings stehen die Eigenbetriebe mit 425 Millionen Euro in der Kreide.

Kritik vom Personalrat

Der Gesamtpersonalratsvorsitzende Markus Freitag kritisiert, es gebe nicht einmal genügend Personal, um neues Personal einzustellen. Die Arbeitsverdichtung mache die Jobs unattraktiv, in der Ausländerbehörde bleibe jeder vierte Stuhl leer. Die Verwaltung drohe auszubluten, da in den nächsten sechs Jahren 3000 von 11 000 Beschäftigten ausscheiden. Baustellen blieben so unüberwacht, Veranstaltungsgenehmigungen könnten nicht überprüft werden und Bürgerbüros würden zeitweise geschlossen.

Der Geldsegen von 2016 versetzt den Gemeinderat aber in die Lage, Rücklagen für teure Projekte zu bilden: 40 Millionen für die Sanierung der Oper, welche die Stadt wohl 200 Millionen Euro kosten soll. Der Rest wird mit dem Erlös nach Auflösung einer Garantieverpflichtung gegenüber der LBBW bezahlt. 43 Millionen Euro müssen wegen Mehrkosten für den Rosensteinstunnel reserviert werden. Auf 72,5 Millionen Euro beläuft sich der Zuschuss für die Straßenbahnen AG. Damit werden 20 Stadtbahnwagen, drei Zahnradbahnen und der neue Betriebshof Nord zur Hälfte finanziert. „Das ist ein klares Zeichen: Stuttgart investiert in den ÖPNV“, so OB Kuhn. 110 Millionen Euro waren bereits für den Kauf der Wasserversorgung beiseite gelegt, dazu kommen fast 40 Millionen Euro für das defizitäre Klinikum sowie 25 Millionen Euro für Maßnahmen im Rahmen des Bündnisses für Mobilität und Luftreinhaltung. Dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung wird ein Darlehen von 30 Millionen Euro gewährt. Es verbleibt ein Rest an Liquidität von 16 Millionen Euro.

Auch 2017 höhere Einnahmen

Im Bund geht man in den nächsten Jahren von einem anhaltend niedrigen Zinsniveau und steigenden Steuereinnahmen aus. Entsprechend positiv sind die Aussichten für Stuttgart. Für 2017 sind nun 76 Millionen Euro Mehreinnahmen veranschlagt (gegenüber einer schwarzen Null im Haushaltsplan). Das sichert ein weiteres Jahr ohne Kreditaufnahme – geplant waren ursprünglich 153,6 Millionen Euro. Kämmerer Föll sagte, der Gemeinderat werde sich deshalb im kommenden Jahr mit dem Grundsatzbeschluss einer „intelligenten“ Grundsteuersenkung beschäftigen müssen. Diese war unter Führung der CDU für den Fall eines positiven Ergebnisses bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Kreditaufnahme beschlossen worden. Hilfreich sind in diesem Jahr die sinkenden Flüchtlingszahlen, das entlastet den Haushalt in Höhe von 9,3 Millionen Euro.

Aussichten trübe und gut zugleich

Die Rathausspitze hat auch die Überschusserwartungen für die nächsten beiden Jahren nach oben korrigiert – um 75 Millionen 2018 und um 88 Millionen Euro 2019. Sie warnt dennoch vor Euphorie: Investitionen in Bildung, Betreuung, Kultur, Wohnungsbau, Mobilität und Verkehr sowie Risiken bei der Gewerbesteuer und dem Erwerb der auf bis zu 285 Millionen Euro taxierten Wasserversorgung ließen nur einen Schluss zu: „Wir müssen die verantwortungsbewusste und stabilitätsorientierte Finanzpolitik weiterführen.“