Der Bundespräsident stellt in seiner Rede zum ersten Jahrestag des Kriegs in der Ukraine das Leid der Opfer in den Mittelpunkt. Für die Ukrainerinnen und Ukrainer hat er eine wichtige Botschaft mitgebracht.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Es sind Worte von großer Klarheit. Putin wolle mit aller Macht siegen, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Wahrheit sei aber, so fügt er hinzu: „Wer morden und töten lässt, wer die Ukraine kaputtbomben, Städte zerstören und Kinder verschleppen lässt, wer selbst die eigenen Soldaten Tag um Tag sinnlos verbluten lässt, der wird vor der Geschichte niemals als Sieger dastehen, der hat schon verloren.“

 

Der Bundespräsident hat – Seite an Seite mit dem ukrainischen Botschafter – zum ersten Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ins Schloss Bellevue eingeladen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und zahlreiche Kabinettsmitglieder sind dabei.

Der Präsident trifft den richtigen Ton

Das verleiht den Worten des Bundespräsidenten – der zwar die Nummer eins im Staat ist, aber keine exekutive Macht hat – zusätzliches Gewicht, als er sagt: „Auf Deutschland ist Verlass.“ Ein Satz, den Steinmeier auf Ukrainisch wiederholt. Der Präsident trifft an diesem Tag den richtigen Ton. Steinmeier verweist auf geleistete Unterstützung aus Deutschland, verspricht weitere Hilfen und rückt vor allem die Opfer des Krieges in den Mittelpunkt.

Russland hat die Ukraine angegriffen keine zwei Wochen, nachdem Steinmeier als Bundespräsident wiedergewählt worden war. „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine“, rief Steinmeier in seiner Rede zur Wiederwahl angesichts des drohenden Krieges aus. Als es dann tatsächlich zum Krieg kam, geriet Steinmeier als Präsident zwischenzeitlich in eine heikle Lage.

Der Grund: In seinen Jahren als Außenminister war Steinmeier viele Jahre für eine deutsche Politik verantwortlich, die im Nachhinein den meisten als zu nachgiebig gegenüber Russland erscheint. Dafür hat er sich im vergangenen Jahr entschuldigt, Fehleinschätzungen eingeräumt. Als Steinmeier im April vergangenen Jahres erstmals seit Kriegsbeginn in die Ukraine reisen wollte, war er offenbar unerwünscht. Das alles ist nun aber lange erledigt.

Bericht aus der Hölle

In seiner Rede berichtet der Bundespräsident nun von seinem Besuch in der Ukraine im Oktober. Von Jahidne, einem unauffälligen Straßendorf zwischen Tschernihiw und Kiew, dessen Bewohner ihm ihre Geschichte erzählten: wie 300 von ihnen von russischen Soldaten 28 Tage lang im Keller einer Dorfschule eingesperrt worden waren. Es waren Kinder darunter und alte Menschen, von denen einige während der Gefangenschaft verstarben.

„Die Hölle, die ich durchgemacht habe, sie kann von niemandem geträumt werden“, zitiert Steinmeier die in Schloss Bellevue anwesende Kateryna Polischuk, die mit den Kämpfern im Asow-Stahlwerk in russische Kriegsgefangenschaft geriet, nachdem sie im verzweifelten Kampf um Mariupol zumindest überlebt hatten.

„Vor einer Woche war ich noch im Kampfanzug, heute habe ich ein Kleid an“, wird Polischuk – eine ausgebildete Opernsängerin – nach Steinmeiers Rede in einer Podiumsdiskussion sagen. Sie werde aber wieder in der Ukraine erwartet. „Ich bin wichtig und ohne meine Teilnahme geht es nicht in diesem Widerstand“ – das habe sie sich in den dunkelsten Stunden immer wieder gesagt.

Der Bundespräsident geht in seiner Rede auch auf die Skepsis ein, die es in Teilen der deutschen Bevölkerung wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine gibt. „Natürlich ist jede Entscheidung begleitet von großen, auch emotionalen Debatten“, sagt er. „Von der Sorge vor Eskalation bei den einen, von Ungeduld bei den anderen.“ Steinmeier versucht sich als Brückenbauer zwischen den Positionen. Er sei sicher, den politischen Verantwortungsträgern sei die „große Tragweite jeder einzelnen Entscheidung“ sehr bewusst. Sie verdienten Vertrauen und Respekt.

Ein optimistischer Schluss

Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn berichtet in der Podiumsdiskussion über große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, die seine Stadt für die ukrainische Partnerstadt Lwiw nutzbar mache. Dies stehe für viele andere Initiativen im Land.

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, dankt Deutschland für die Unterstützung – zivile wie militärische. „Der Frieden fällt nicht vom Himmel. Vom Himmel fallen in der Ukraine üblicherweise russische Marschflugkörper und Kamikaze-Drohnen.“ Und zieht den zuversichtlichen Schluss: „Wir werden zusammen gewinnen.“