Die Ditzinger sind sauer. Da machen sie für mehr als 20 Millionen Euro ihren Bahnhof neu und modern, hoffen dabei auf Mitwirkung der Bahn. Doch die bewegt sich nicht.

Ditzingen - Michael Makurath und Ulrich Bahmer sind auf die Deutsche Bahn nicht gut zu sprechen. Während sich der Oberbürgermeister noch verhalten äußert, nimmt sein Stellvertreter Bahmer inzwischen kein Blatt mehr vor den Mund: „Mir wäre das peinlich“, kommentiert er deren Verhalten.

 

Es ist die Summe von Begebenheiten, die den Vize-Rathauschef inzwischen veranlassen, unverhohlen seine Meinung über den Staats- und Mobilitätskonzern zu äußern. Jüngster Anlass ist der neue Aufzug an den Bahngleisen. Dieser soll einen barrierefreien Zugang aus dem Gewerbegebiet, beziehungsweise von der Bushaltestelle zum Bahnsteig gewährleisten. Doch der Aufzug steht, weil er noch nicht ans Stromnetz angeschlossen ist. Das hätte längst der Fall sein sollen.

Der Unmut wächst

Der Aufzug sollte seinen Strom über den Mittelbahnsteig bekommen. Die Bahn zog ihre Zusage laut der Verwaltung später aber wieder zurück. „Wir hatten die schriftliche Bestätigung“, sagt Bahmer (CDU). Die habe aber nur so lange Bestand gehabt, bis der Aufzug stand, konstatiert Makurath (parteilos). Die Bahn zog ihre Zusage unter anderem mit der Begründung zurück, es sei zu wenig Platz dafür im Stromzähler.

Die Deutsche Bahn hat sich auf eine entsprechende Anfrage bisher nicht dazu geäußert. „Auch für uns ist das eine Enttäuschung“, sagt der Verwaltungschef Michael Makurath. Der Aufzugsturm stehe seit Juni, die Kabine sei im Januar eingebaut worden, teilt die Verwaltung mit. „So schnell es geht“, sagt Makurath, wolle die Stadt nun den Stromanschluss selbst realisieren. Im Frühjahr könnte es demnach so weit sein.

So lange der Aufzug nicht funktioniert, gibt es keinen barrierefreien Zugang von den Gleisen zur Südseite des Bahnhofs, also etwa zur Haltestelle der Buslinie 638 nach Gerlingen. 46 Stufen liegen dazwischen, 23 runter, 23 rauf. Der Stopp war vergangenes Jahr verlegt worden. Die Stadt intervenierte beim für den öffentlichen Busverkehr verantwortlichen Landratsamt. Vergeblich. Alternative Linienführungen wurden verworfen, die Einrichtung eines Anruf-Sammeltaxis wegen der Kurzfristigkeit abgelehnt. Bis die Konzession dafür erteilt sei, sei der Aufzug in Betrieb, hieß es im Mai vergangenen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt war der Rückzug der Bahn nicht abzusehen.

Im Notfall ist die Hilfe uneinheitlich

Das aktuelle Geschehen steigert den Unmut der Ditzinger Verwaltung über die Bahn noch weiter. Denn schon seit langem ist klar, dass dieser neue Aufzug eine andere Sicherheitstechnik haben würde, als der bestehende. Dieser schafft den Zugang nur zur Nordseite des Bahnhofs in Richtung Ortsmitte.

Der neue Aufzug wird von der Stadt verantwortet, in ihm wird die GSM-Notruftechnik installiert, die dem weltweit technischen Funkstandard für digitale Funktelefonie entspricht. Der alte Aufzug ist in Verantwortung der Deutschen Bahn und wird mit einer älteren Notruftechnik betrieben. Wer darin stecken bleibt, wird im Notfall an den Bahnhofsmanager verbunden. Der Hilferuf aus dem neuen Aufzug landet hingegen in der Notrufzentrale des Anbieters – der vertraglich an städtische Vorgaben gebunden sein wird.

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Die Stadt hätte gerne auch die Verantwortung für den alten Aufzug übernommen. Doch das wäre teuer geworden. Für den Abriss oder auch nur die Versetzung des alten, störanfälligen Aufzugs verlangte die Bahn laut der Stadt eine Viertelmillion Euro. Der Gemeinderat lehnte ab – obwohl er die Anlage anlässlich der Modernisierung des Bahnhofs aus städteplanerischer Sicht gerne versetzt hätte.

Im Kontext der rund 20 Millionen Euro teuren Umgestaltung und Aufwertung des Bahnhofareals hätte sich zumindest Bürgermeister Bahmer mehr Engagement von der Bahn gewünscht. „Da müsste ich als Bahn doch sagen, da mache ich mit.“ Statt dessen hatte das Unternehmen vor einiger Zeit auch die Erhöhung der Bahnsteige abgelehnt. Sie habe laut Bahmer „keine Notwendigkeit“ dafür gesehen. Die Ditzinger hätten das auch alleine ändern können – auf eigene Kosten. Wer in die S-Bahn einsteigt, muss deshalb auch weiterhin eine große Stufe nehmen.