Mit altestamentarischer Wucht lässt James Lee Burke die Figuren in seinem Thriller „Regengötter“ aufeinanderkrachen – was für ein Glück, dass Heyne Hardcore diesen Roman auf den deutschen Markt bringt.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Markus Naegele, Programmleiter Heyne Hardcore, irrt: „Nach wenigen Seiten“ sei man bei „Regengötter“ von James Lee Burke „mittendrin in einer flirrenden, staubigen Szenerie mit Figuren, die man so schnell nicht vergisst“. Im Wirklichkeit braucht es aber nicht wenige Seiten, sondern nur wenige Zeilen, um vom Sog dieses Thrillers erfasst zu werden.

 

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist der 1936 in Louisiana geborene Schriftsteller in Deutschland nicht mehr verlegt worden. Umso mehr freut sich die versammelte Krimigemeinde, dass Heyne diesem Missstand ein Ende setzen will. Mit nichts weniger als mit Cormack McCarthys Klassiker „No Country for Old Men“ vergleicht Naegele die Regengötter – und hat damit, wenn nicht in puncto Konstruktion, so doch in puncto Ton, absolut recht.

Mit alttestamentarischer Wucht

Die Regengötter drehen sich um eine ganze Reihe von handelnden Personen, die mit alttestamentarischer Wucht ihrer Wege gehen, die ihre Prinzipien haben und für diese Prinzipien notfalls sterben und sterben lassen. Und der Roman dreht sich um eine Reihe von Figuren, die ganz ohne Prinzipien zerstören, vernichten und töten, was ihnen in die Quere kommt.

Im Mittelpunkt steht der über 70-jährige Sheriff Hackberry Holland, der den Mord an neun thailändischen Frauen aufklären muss. Die Opfer wurden von Kugeln aus einer Maschinenpistole durchsiebt und von einem Bulldozzer verscharrt. Hinter dem Massaker stecken die Drogenmafia und ein bigotter Killer, Jack Collins mit Namen, der sich selber Preacher nennt. Es beginnt ein blutiger Wettlauf, an dessen Ende der Preacher seine gerechte Strafe bekommt. Oder etwa doch nicht?

Starke Frauen

Burke zeichnet seine Figuren mit großer Schärfe – und er hütet sich davor, in ein allzu einfaches Gut-Böse-Schema zu verfallen. Hackberry Holland ist im Korea-Krieg gefoltert worden, hat später gesoffen, gehurt und ist auch im Alter bereit, Fünfe grade sein zu lassen: Der Mann macht – und das ist wörtlich zu verstehen – im Zweifel keine Gefangenen.

Pam Tibbs, seine Deputy, die ihn anhimmelt, neigt zu völlig überzogenen Gewaltausbrüchen. Jack Collins verschont potenzielle Opfer, obwohl die ihm gefährlich werden können. Und dann sind da noch starke Frauen wie die Sängerin Vikki Gaddis („Das nächste Mal mach ich dich alle, du Arschgesicht“, schreit sie den Preacher an) und Esther Nolan, die Frau eines Nachtclubbesitzers, die sich in dieser gewalttätigen und blutrünstigen Männerwelt behaupten.

Geschrieben hat das Ganze ein Mann, der ein bisschen aussieht wie Ronald Reagan. Allerdings ein Reagen mit Intelligenz und Empathie und großer Würde – ganz so, wie die guten unter seinen Figuren. Oder was immer man in diesem großen Stück Gegenwartsliteratur auch als „gut“ bezeichnen mag.

James Lee Burke: „Regengötter“. Aus dem Englischen von Daniel Müller. Heyne, München 2014. Paperback, 672 Seiten, 16,99 Euro. Auch als E-Book, 13,99 Euro.