Janukowitsch-Prozess Tote Zeugen und Briefe, die es gar nicht geben soll

In Kiew hat der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch begonnen. Der Vorwurf lautet auf Landesverrat, wichtige Zeugen sind zuvor eleminiert worden. Das ist nicht die einzige Ungereimtheit in einem hoch politischen Verfahren.
Kiew - Die ukrainische Staatsanwaltschaft verspricht, dass es ein fairer Prozess werden soll, ganz bestimmt kein politischer. Dazu passt es freilich nicht ganz, dass Präsident Petro Poroschenko schon vor dem ersten Verhandlungstag erklärt, dass die Beweise für eine Verurteilung seines Vorgängers ausreichen und ein Schuldspruch von Viktor Janukowitsch sicher unumgänglich ist. Und auch dass Europol unmittelbar vor dem Prozessbeginn am Donnerstag bekannt gegeben hat, Janukowitsch von der Fahndungsliste zu nehmen, trübt dieses Bild. Erst recht die Begründung der Polizeibehörde: die Vorwürfe seien politisch motiviert, zudem mangele an Beweisen.
Nichts geringeres als Landesverrat wirft die Ukraine ihrem ehemaligen Präsidenten vor, dazu Beihilfe zur Durchführung eines Angriffskrieges. Gemessen an diesen Vorwürfen verlief der Prozessauftakt in Kiew f am Donnerstag unspektakulär und schnell. Das Gericht vertagte sich auf den 18. Mai, dann soll Janukowitsch per Video aus seinem russischen Exil in den Verhandlungssaal geschaltet werden. Ob der Angeklagte dazu bereit ist muss sich freilich erst noch zeigen. Technische Hürden gibt es allerdings nicht: Schon im vergangenen November war Janukowitsch per Video in einem Kiewer Gerichtssaal zugegen. Damals allerdings als Zeuge im Verfahren gegen fünf Mitglieder der Sonderpolizei, die auf dem Maidan im Frühjahr 2014 Demonstranten erschossen haben sollen.
Der Präsident ist von Erinnnerungslücken geplagt
Die Fragen des Staatsanwaltes waren damals interessanter als die Antworten des von schweren Erinnerungslücken gepeinigten Ex-Präsidenten. Die Telefonverbindungsdaten, die die Ankläger vorlegten, gaben Zeugnis von einem regen Austausch zwischen Kiew und Moskau, auch ein bisher unbekanntes Treffen zwischen dem Ex-Premier Mykola Asarow und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Februar 2014 kam erstmals zur Sprache. Viele Details zu den Ereignissen auf dem Maidan harren größtenteils aber noch der Aufklärung, ebenso wie Einzelheiten zu der kurz darauf erfolgten Annexion der Krim durch Russland und der Eskalation im Osten der Ukraine.
Mehr als 100 Zeugen hat die Staatsanwaltschaft nun im Vorfeld des Prozesses befragt, einer von ihnen, ein ehemaliger russischer Abgeordneter, wurde vor wenigen Wochen in Kiew von einem Auftragskiller erschossen. Noch wichtiger als dessen Aussage sollen Briefe Janukowitschs an Wladimir Putin sein, in denen er bittet, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden. Angeblich soll es eine vom UN-Sekretariat beglaubigte Kopie eines solchen Schreibens geben, das bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 3. März 2014 vom russischen Vertreter Witalij Tschurkin präsentiert wurde. Tschurkin ist im Februar überraschend in New York gestorben. Im Kreml wird die Existenz eines solchen Briefes bestritten.
Seit seiner Flucht lebt Janukowitsch in Südrussland
Janukowitsch lebt seit seiner Flucht im Februar 2014 zurückgezogen in Südrussland. Der Ex-Präsident gab lediglich ein einziges großes Interview, gegenüber der britischen BBC. Bei der Video-Schalte in den Gerichtssaal bestritt er, während der Massendemonstrationen in Kiew einen Schießbefehl erteilt zu haben. Insgesamt waren im Frühjahr 2014 rund 100 Menschen in der ukrainischen Hauptstadt ums Leben gekommen.
Der unglaubliche Reichtum, den Viktor Janukowitsch angehäuft hat, und von dem sich die Ukrainer nach seiner Flucht beim Besuch der prunkvollen Präsidentenvilla überzeugen konnten, ist offiziell kein Thema des Verfahrens. Das soll, so die Anwälte des Ex-Präsidenten, eine Fortsetzung vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg finden.
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