Privatdetektive galten in Japan lange Zeit als dubiose Gestalten. Inzwischen können sie sich vor Aufträgen kaum retten.

Tokio - Damit haben wir ihn!“, stößt der Mann im dunkelblauen Anzug hervor und drückt die Pausetaste. „Wenn der Herr hiermit konfrontiert wird, kann er sich vor Gericht das Leugnen gleich sparen.“ Auf einem Flachbildschirm im Büro von Naotaka Ikeda ist zu sehen, wie ein Mann mit einer Frau ein Stundenhotel betritt und später wieder verlässt. In Scheidungsprozessen gilt solches Material als überzeugendes Beweismittel für Untreue. Ikeda hat seinen Auftrag erfüllt. „Daran haben wir zwei Monate gearbeitet. War anfangs gar nicht so leicht, ihn zu schnappen. Er war relativ diskret.“ Aber die fünf Schnüffler, die auf den Fall angesetzt waren, seien eben Profis. „Wir haben eine Erfolgsrate von fast 100 Prozent.“ So gut wie immer werde der Verdacht eines Klienten bestätigt, wenn dieser die Privatdetektei Galu beauftragt, prahlt Ikeda.

 

In zwei Drittel der Fälle geht es um Untreue, der Rest sind Aufträge von Betrieben zur Mitarbeiterbespitzelung. Das einst in Japan übliche Arbeitsmarktmodell, nach dem ein Angestellter sein Leben lang im selben Betrieb arbeitet, wird seit Jahren durch flexible und kaum geschützte Jobs ersetzt. Die Unternehmen wollen seitdem häufiger wissen, ob ihre krankgeschriebenen Arbeiter auch wirklich krank sind, und was ehemalige Mitarbeiter in ihren neuen Jobs mit ihrem betrieblichen Wissen anstellen.

Das Geschäft boomt, allein Marktführer Galu hatte 2018 rund 8000 Fälle

Und das Geschäft läuft wie geschmiert. In zwanzig Jahren ist die Agentur Galu von einem kleinen Büro zu einem Detektivfranchise mit 700 Ermittlern und 124 Niederlassungen gewachsen. Ikeda leitet die Filiale im Tokioter Stadtteil Akasaka, wenige Kilometer Luftlinie vom Kaiserpalast entfernt. Und wahrscheinlich auch nur ein paar Häuserblocks von seinen nächsten Konkurrenten. An die 6000 Detekteien arbeiten in Japan. Allein der Marktführer Galu hatte 2018 rund 8000 Fälle, ein Wachstum von fast 50 Prozent in zehn Jahren. „Der ganzen Branche geht es sehr gut“, sagt Ikeda und lässt eine dicke Armbanduhr unter dem Sakkoärmel hervorblitzen.

Überall auf der Welt heuern Menschen Detektive an, aber in wenigen Ländern ist das Phänomen so präsent wie in Japan. Hier werben Detekteien mit riesigen Plakaten an Wolkenkratzern, mit Verlinkungen im Internet und Bildern von Schnüffelhunden an der Straße. In Krimis sind sie mit ihren Unternehmensnamen als Product Placement zu finden. „Unser Job ist ehrbar. Das weiß man heutzutage“, sagt Ikeda entspannt.

Seit Detektiv ein Ausbildungsberuf ist, besser sich das Image der Branche

Zumindest arbeiten sie im Dienst der Wahrheit. Mit dieser Motivation schmiss Ikeda vor 20 Jahren als 45-Jähriger seinen Job als Büroangestellter hin. „Dort war alles so langweilig, und der Kundenkontakt mit anderen Betrieben änderte doch nichts an der Welt.“ Seine Kollegen waren erschrocken, als sie vom Plan hörten, Detektiv zu werden. „So etwas wurde mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht.“ Als die Profession des Detektivs 2007 zum Ausbildungsberuf wurde, besserte sich das Image des Gewerbes.

Am liebsten arbeitet Ikeda an Fällen mit dem Schlagwort „uwaki“, auf Japanisch „Untreue“. „Da merkt man, wie dunkel unsere Welt ist. Jeder hat Geheimnisse. Man muss nur lange genug suchen.“ Und der Pool potenzieller Klienten wächst. Seit Jahrzehnten steigt in Japan die Scheidungsrate. Inmitten sich ändernder Geschlechterrollen, zunehmenden Individualismus und eines schwierigen Arbeitsmarkts war die Institution Ehe auch hier noch nie so angeschlagen. Hinzu kommt: Kann man seinem Ehepartner Untreue nachweisen, gibt es in Japan Schmerzensgeld.

Die meisten Kunden sind Männer

Dieser finanzielle Anreiz macht die privaten Ermittler zu gefragten Dienstleistern. In japanischen Beziehungen wird selbst bei offensichtlichen Konflikten eine Konfrontation meist gemieden. Wer trotzdem genau Bescheid wissen will, geht zu den Detektiven. Und das seien meist die Männer. „Heute sind mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt als früher, und am Arbeitsplatz passiert so einiges.“

Während weibliche Klienten meist wenig überrascht wirkten, wenn ihnen Beweise für die Untreue ihrer Ehemänner vorgeführt werde, wollten Männer dies oft nicht wahrhaben. „Viele Herren sehen sich irgendwie als überlegen und halten es für unmöglich, dass sie betrogen werden. Oft fließen Tränen.“ Der durchschnittliche Uwaki-Fall dauert einen Monat und kostet ungefähr 100 000 Yen (etwa 800 Euro). Am Ende steht ein rund 100 Seiten langes Protokoll in Form eines gebundenen Buchs. „Ich wäre nicht gern unser Zielobjekt“, sagt Ikeda. Auf die Frage, ob er selbst mal untreu gewesen sei, setzt Naotaka Ikeda ein Pokerface auf und fragt zurück: „Einmal?“ Er könne auch schnell rausfinden, ob seine Frau ein ähnliches Leben führe: „Aber ich ermittle lieber nicht.“ Alles zu wissen sei doch nicht immer gut.