Der Pianist Jan Felix May war mit Band und der norwegischen Sängerin Torun Eriksen zu Gast im Stuttgarter Jazzclub Bix.

Stuttgart - Zu den großen Talenten im deutschen Jazz gehört der Pianist Jan Felix May, geboren 1993 in Mainz – schon als Schüler studierte er parallel Musik. Am Freitagabend im Jazzclub Bix ist zu hören, warum: Wenn May in die Tasten des Flügels greift, füllt sich der Raum mit dynamischen Geschichten, die nur in Musik erzählt werden können. Der Gitarrist Lukas Roos setzt an der Halbakustischen mit singendem Ton starke Akzente, makellos und sehr kontrolliert wie der flinke, regungslose Bassist Eduardo Sabella und der vielseitige Drummer Julian Camargo.

 

Kaum ein gerader Beat ist von ihnen zu hören, vertrackt und fordernd türmt die Musik sich auf, und während diese vier jungen Männer scheinbar unangestrengt ihr hohes Niveau halten, wirken sie oft sehr verkopft. Riffstrukturen wie beim Progressive Rock schwingen da mit und Ansätze von Neuer Musik. Mit Synthesizer-Sounds wie aus den 70ern verweist May gar auf den Krautrock. Häufig mitlaufende elektronische Muster aus dem Laptop, die die Live-Darbietung mitunter penetrant überlagert, verorten ihn aber klar in der Gegenwart.

Für eine Stimme lässt derart frickelige Musik wenig Raum, und die Norwegerin Torun Eriksen (41) müht sich in ihren Passagen redlich, Lücken zu finden – stellenweise weicht sie auch in den Sprechgesang aus. Sie schmeichelt den Worten mit ihrer Frauenstimme, bekennt aber gegen Ende fast ein wenig entschuldigend in Anspielung auf die durchweg ungeraden Taktarten: „Bei dem, was ich sonst mache, kann ich auf drei oder auf vier zählen“ – dafür fühle sie sich in dieser Konstellation „zwölf Jahre jünger“. Eriksen schlägt sich wacker, hätte aber mehr kompositorisches Entgegenkommen verdient.

Hat man sich eingehört, springt der Funke doch irgendwann über. Mit einem furiosen Avantgarde-Stilmix und astreinem, hochkomplexem Swing verabschiedet sich das deutsche Supertalent May, bei dem eines sicher ist: Es wird noch von ihm zu hören sein. Im Herbst erscheint ein Album, das er in Paris aufgenommen hat.