Die beiden britischen Singer-Songwriter werden am Donnerstag bei einem heißen Doppelkonzert auf dem Schlossplatz von 7000 begeisterten Menschen gefeiert.

Stuttgart - Jamie Cullum hat’s einfach drauf. Auch bei seinem fünften Jazz-Open-Auftritt und vielen bekannten Songs kommt keine Langeweile auf. Im Gegenteil: Der bloß 164 Zentimeter messende Cullum, der im Konzertverlauf mit der neuen, unveröffentlichten Eigenkomposition „Taller“ selbstironisch bekennt, dass er gerne länger wäre, ist einer der weltweit größten Entertainer, einer, der das Publikum vom ersten Takt an im Griff hat: mit seiner besonderen, leicht erkennbaren Stimme, seinem eindringlichen Klavierspiel, der charmanten Ausstrahlung und einer tollen Band. Auf Zehenspitzen federnd stürmt er ganz in Schwarz in einem sündhaft teuren Hemd unter dem Jubel des Publikums auf die Bühne und singt nach dem Opener „Get Your Way“ ein Lied mit dem Titel „Next Year Baby“. Das findet sich auf seinem Album „Twentysomething“, das ihm vor vierzehn Jahren einen Sensationserfolg beschert hatte.

 

Ist der Song ein Versprechen, dass er nächstes Jahr schon wieder nach Stuttgart kommen wird? Viele fassen das genauso auf. Der Reiz der Wiederholung, den der dänische Philosoph Søren Kierkegaard einmal beschrieb, charakterisiert die Beziehung des hyperaktiven Pop-Jazz-Musikers aus England und seinem Stuttgarter Publikum. Alle freuen sich, als er - wie erwartet - nach einem starken Klaviersolo den Flügel als Perkussionsinstrument verwendet, wie ein Flummi hinaufspringt und anfängt zu rappen. Es ist eine von spitzen Jubelschreien durchblendete Hommage an Drake und dessen „Nice For What“.

Die Botschaft zweier Brexit-Gegner

Längst tanzen Mütter und kleine Kinder mit Gehörschutz auf den Ohren und Gruppen von jungen Leuten an den Rändern im Innenhof. Rihannas „Don’t Stop The Music“ kommt da gerade recht. Ein ganz besonderer Moment ist es, als eine wohlbekannte Bassfigur den Beatles-Song „Come Together“ ankündigt und Joss Stone im lilafarbenen Seidenkleid auf die Bühne hereinweht, um mit Jamie Cullum ein mitreißendes Duett zu singen. Es ist nicht nur die Botschaft zweier Brexit-Gegner, es ist das Lied eines großen Gemeinschaftsgefühls, das hier gefeiert wird. Cullum animiert die Leute zum Mitsingen, und ein Chor von 7000 Menschen tut ihm liebend gern den Gefallen. Auf der Bühne wird die Klangfülle dazuhin vom Gospel Chor Stuttgart verstärkt. Bei „High And Dry“ und „Mixtape“ gehen die Arme nach oben, alle lachen, hüpfen auf der Stelle und singen unaufgefordert den Refrain. Der Schlossplatz verwandelt sich in dieser hochsommerlichen Nacht zur heißen Party-Zone. Kein Mensch hätte etwas dagegen, so ein mitreißendes Pop-Jazz-Konzert, so eine ausgelassene Stimmung 2019 ein weiteres Mal zu erleben.

2007 ist Joss Stone bei den Jazz Open zuletzt aufgetreten. Nun eröffnet sie das Doppelkonzert in dem von der Abendsonne beschienenen Innenhof des Neuen Schlosses. Das einstige Wunderkind der Soul-Musik ist erwachsen geworden, hat die Welt bereist, sich überall musikalisch inspirieren lassen, ein eigenes Label gegründet und lässt sich nicht mehr gängeln. „Das Papier, den Stift und meine Stimme lasse ich mir von niemanden mehr nehmen“, betont sie. „Newborn“ heißt nicht von ungefähr ihr Opener, bei dem die Band elastisch groovt und zwei Huhu-Mädchen den Song versüßen. Die Stimme von Joss Stone ist beeindruckend stark und klingt so schwarz, als sei sie eine Soul-Sister von Aretha Franklin. Barfuß und mit weit ausgebreiteten Armen dreht sie sich lachend um ihre eigene Achse. Sie lässt ihre Sprechstimme zunächst dunkel und warm klingen, um dann in hohen Registern richtig abzudrücken, während die E-Gitarre jubilierend die Luft zerschneidet, der Bass pulsiert und der Drummer treibt. Eine wunderschön gesungene Ballade mündet geschmeidig in einen Reggae-Rhythmus. Am Ende wirft Joss Stone Sonnenblumen in die Menge und macht einen Knicks. Very british. Dann singt sie „For God’s Sake“ und meint Trump, das Publikum ruft „Yeah!“. Um Gotteswillen, nicht der schon wieder! Wir wollen lieber Jamie Cullum.