Das Festival sucht neue Formate und Orte. Gelungen ist nun ein Experiment mit dem Jazzpianisten Jason Moran und seiner singenden Frau Alicia in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart.

Stuttgart - Außergewöhnliche Klänge füllen das Kirchenschiff von St. Eberhard – ein afroamerikanisches Ehepaar aus New York ist zu Besuch und begleitet Lesungen des Stadtdekans Christian Hermes. Ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wollen er und Jazz-Open-Leiter Jürgen Schlensog setzen mit diesem Nachmittagskonzert. Der 47-jährige Geistliche liest aus dem Matthäusevangelium: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

 

Jason Moran, ein klassisch gebildeter Jazzpianist, spielt zunächst ein getragenes Kirchenlied, als seine Frau im langen Brokatkleid ihre kraftvolle Stimme erhebt. Alicia Moran ist ausgebildete Mezzosopranistin und hatte am Broadway die Rolle der Bess in Gershwins Oper „Porgy and Bess“ inne. Die Akustik in der Kirche erlaubt es ihr, ohne Mikrofon zu singen. Ihr Vortrag ist körperbetont, mitunter dramatisch.

Endlich frei – ein ergreifender Moment.

Jason Moran improvisiert auf dem Flügel, weicht Klischees aus und verwendet keine bekannten Bebop-Phrasen, sondern lässt sich von der erhabenen Stimmung im Gotteshaus tragen. Sein Spiel ist kultiviert, fantasievoll, manchmal überraschend heftig. Dann liest Alicia Moran die deutsche Übersetzung von Martin Luther Kings berühmter Rede „I Have A Dream“ von 1963. Sie hat Mühe mit der deutschen Sprache und stolpert über schwierige Vokabeln. Doch als sie am Schluss das Wort „Freiheit“ sieht, beginnen ihre Stimme und ihre Augen zu strahlen, und ihr Sprechen wird zum mächtigen Gesang – inspiriert vom alten Spiritual „Großer allmächtiger Gott, wir sind endlich frei!“

Das ist ein ergreifender Moment, der eine Ahnung vermittelt von der Intensität afroamerikanischer Gottesdienste und der Musik als Mittlerin zwischen Himmel und Erde. Als Zugabe, nachdem ihn seine Frau liebevoll umarmt hat, interpretiert Jason Moran höchst virtuos einen Tin-Pan-Alley-Hit im Stil des legendären Stride-Piano-Spielers Fats Waller. Die Menschen applaudieren, verlassen die Kirche und gehen lächelnd hinaus auf die geschäftige Königsstraße.