Der Jazz-Trompeter und Pianist Sebastian Studnitzky hat mit den Stuttgarter Philharmonikern im Gustav-Sieglehaus gleich zwei Öffnungen zelebriert: eine des Ortes und eine musikalische.

Stuttgart - Eine ungeheure Spannung und Dynamik steckt in der Musik, die der Trompeter und Pianist Sebastian Studnitzky für Orchester und Jazzcombo komponiert hat. Auf dem Album „Memento“ (2013) hat er sie festgehalten, am Samstag nun mit seinem Trio und den Stuttgarter Philharmonikern im großen Saal im Gustav-Sieglehaus aufgeführt, dem Proberaum des Orchesters. Vor allem eines verblüfft an diesem Abend: Anders als bei vielen anderen „Crossover“-Versuchen schmiegen sich Klassik und Jazz hier ineinander und beide Seite kommen zu ihrem Recht.

 

Während die Streicher ein dramatisches Thema intonieren, improvisiert Studnitzky mit der Trompete dazu, als wäre das ganz selbst verständlich. Auch der Kontrabassist Paul Kleber und der Schlagzeuger Tim Sarhan haben reichlich Gelegenheit, die Freiheit auszukosten, die der Jazz bietet, ohne je mit dem Orchester zu kollidieren. Da gelingt Großes: Die Vereinbarkeit beider Sphären ist nun erwiesen.

Große Stimmungsbilder füllen den Saal

Mit viel Luft und butterweichem Ton lässt Studnitzky die Trompetentöne lodern, während er melodische Kleinode in den Raum tupft. Auch am Flügel bringt er wunderbare Themen zum Strahlen, die er dann improvisatorisch bearbeitet. Der Dirigent Ekkehard Klemm sei „das Bindeglied zwischen Turnschuhfraktion und Lackschuhfraktion“, sagt Studnitzky (45), der seine Karriere von Stuttgart aus gestartet hat, und lacht ein bubenhaftes Lachen; doch es sind vor allem die Kompositionen des Dirigentensohns, die dieses Miteinander ermöglichen. Große Stimmungsbilder füllen den Saal, zwischendurch geht es mit Pauken und Trompeten in Richtung Filmmusik, und das Publikum ist ganz aus dem Häuschen.

Man darf diesen Erfolg nicht schmälern durch kleinliche Mäkelei. Es gehört zur Kultur des Orchester- Bläsersatzes, dass er in einem swingenden Teil des Abends sauber vom Blatt spielt, wo ein Bigband-Bläsersatz ganz selbstverständlich rhythmisch anschärfen würde – hier zeigt sich, wo noch Raum für Annäherung ist. „Vielen Dank für die Offenheit, die Neugier und die guten Vibes“, sagt Studnitzky zum Abschluss seines ersten Auftritts. Nach einer kurzen Pause bespielt er noch das Bix eineinhalb Stockwerke tiefer und überschreitet noch einmal Grenzen: Mit dem Laptop unterlegt er den klassischen Trio-Jazz seiner Band mit Elektro-Sounds.

Der Jazzclub und die Philharmoniker haben diesen Abend gemeinsam organisiert und in Erinnerung gerufen, was für ein wunderbarer Kulturort das Sieglehaus ist. Und angesichts des Mangels an Konzertsälen im Herzen der Stadt indirekt empfohlen, auch den großen Saal öfter zu bespielen – was durchaus als Arbeitsauftrag ans Rathaus verstanden werden darf.