Hauptsache draußen: Beim Jazzfestival in der Esslinger Altstadt macht es die Mischung aus Draußen und Drinnen.

Esslingen - Ein gewisses Wagnis war es schon, als Maximilian Merkle vor rund zweieinhalb Jahren etliche Mitstreiter zusammentrommelte, um im Herzen Esslingens ein Openair-Jazzfestival auf die Beine zu stellen. Immerhin galt und gilt die ehemalige Reichsstadt unter der Burg als bestens eingeführte Hochburg der Jazzfreunde, ein Renommee, das sich gleich nach Kriegsende unter tatkräftigem US-amerikanischem Besatzerbeistand zu etablieren begann – und vom Jazzkeller in der Webergasse über das Kulturzentrum Dieselstraße hoch zum Dulkhäusle seine festen Anlaufstellen hat. Auch ist die Landeshauptstadt mit ihren jazzigen Offerten nicht weit.

 

Doch der Wahl-Berliner Merkle (39) hat sich als gebürtiger Esslinger, der in seiner Jugend selbst Musik machte, offenbar den richtigen Riecher dafür bewahrt, was im Schatten der Stadtkirche St. Dionys und des Kesslerhauses, was auf dem Hafenmarkt und im Saal der Württembergischen Landesbühne (WLB) geht – oder auch nicht. Hinzu kommt, dass er als Jurist in den Diensten des Berliner Medienkonzerns Universal Music die Branche und ihre Trends bestens kennt.

Schirmherr ist die Esslinger Basslegende Eberhard Weber

Von der Idee eines „Leuchtturms“, von dem Merkle mit Blick auf das Festival in Interviews schon sprach, haben sich auch Sponsoren und Idealisten erleuchten lassen, unter ihnen als diesjähriger Schirmherr die Esslinger Basslegende Eberhard Weber. Und so scheint es bereits ganz normal, dass nach 2015 und 2016 in diesem Jahr vom 8. September bis zum 1. Oktober das Jazz-Ereignis in die dritte Runde geht. Nach bewährtem Muster wiederum mit der Präsentation nationaler und internationaler Stars und der Nachwuchspflege in Workshops und Kursen; was dabei herauskommt, bleibt indes nicht hinter verschlossenen Türen, sondern wird ebenfalls auf den Bühnen präsentiert, auch gibt es eigens eine Festivalband.

Zum Auftakt der Jazztage wird am Freitag, 8. September, um 20 Uhr das israelische Avishai Cohen Trio auf dem Hafenmarkt erwartet. Sollte das Wetter nicht mitspielen, so heißt es, werde rechtzeitig ein Ausweichquartier bekannt gegeben. Der Bassist und Sänger Avishai Cohen ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Trompeter, der im Vorjahr aufgetreten ist. Am 9. September treten der aus Indien stammende renommierte Percussionist und Schlagzeuger Trilok Gurtu mit seinem Quartett und die Festivalband im WLB-Schauspielhaus auf. Dort steht am Tag darauf auch das Pablo Held Trio zusammen mit dem amerikanischen Keyboarder und Komponisten Jim Beard sowie das Slavko Benic Orkestr auf der Bühne. Der Beginn der Konzerte an beiden Tagen ist um 20 Uhr. Als Beitrag des Jazzkellers kommt am 15. September um 20.30 Uhr das Joey Calderazzo Trio in die Kultkatakombe in der Webergasse. Der Jazzkeller ist auch Schauplatz der schon traditionellen Jamsessions nach den Festivalkonzerten. Und auch das Kulturzentrum in der Dieselstraße steuert einen Jazzabend zum Festival bei, nämlich am 1. Oktober um 20 Uhr mit Steven Bernstein’s SexMob.

Mit Lautenimprovisationen werden Musikbrücken geschlagen

Allein vom Atmosphärischen her dürften zwei Termine in St. Dionys ganz besondere Erlebnisse versprechen. So präsentiert der norwegische Pianist Bugge Wesseltoft am 29. September von 20 Uhr an die Premiere seines Programms „Everyone Loves Angels“, mit dabei ist das Radio String Quartet. Und am 30. September sind zur selben Zeit der Iraner Kayhan Kalhor und der Türke Erdal Erzincan auf der Bühne vereint, um mit ihren Lautenimprovisationen traditioneller iranischer und türkischer Stücke Musikbrücken zu schlagen.

Mit seinem „Gründungsanliegen, die sagenhafte Jazztradition Esslingens wieder aufleben zu lassen“, macht der Initiator Merkle auch vor der Markungsgrenze nicht Halt: Für den 26. Oktober ist ein Sonderkonzert mit Danilo Pérez, John Patitucci und Brian Blade in der Spardawelt Stuttgart angesagt; überschrieben ist das Konzert, das um 20 Uhr beginnt, mit „Children of the Light“, einem gemeinsamen Projekt der drei Musiker.

Maximilian Merkle freut sich, dass das Festival insgesamt so gut angenommen worden ist. Freilich sei das alles kein Selbstläufer, sondern man müsse „am Publikum arbeiten“. Und auch Esslingens Kulturbürgermeister Markus Raab nennt die Jazztage einen „Glücksfall, hervorragend und klasse“. Der Glücksfall ist umso größer, als dass laut Merkle zumindest die Aussicht besteht, dass 2020 das Landesjazzfestival gemeinsam mit den Openair-Tagen in der Neckarstadt seine Zelte aufschlägt.

Infos und Termine:

Urzelle
Ob in „Kugels Saal“ oder im Alten Rathaus – die neue Musik nach dem Krieg hatte in Esslingen viele „Brennpunkte“. Zur Kultstätte aber brachte es der Jazzkeller in der Webergasse. Das eindrucksvolle Gewölbe hatten die jazz-infizierten Bäcker Gustav Hutter und sein Sohn Eugen den Jazzern ausgangs der 50er Jahre überlassen. Nach Ruhephasen wegen behördlich verfügter Umbauten ist der Keller noch heute eine feste Adresse für Jazzfans.

Orte
Bis auf das Kulturzentrum Dieselstraße in der Pliensauvorstadt liegen die Festivalorte allesamt in der Esslinger Altstadt und sind nur wenige Schritte voneinander entfernt.

Hier geht’s zur Webseite des Festivals: www.jazzfestival-esslingen.de