Bis jetzt ist der Schauspieler Jean Dujardin nur in Frankreich ein Star. Das könnte sich mit dem Stummfilm „The Artist“ ändern.  

Stuttgart - Dieses auftrumpfend zähneblitzende Lächeln, das der Schauspieler Jean Dujardin in der brillanten Stummfilm-Hommage "The Artist" präsentiert, macht ihm zurzeit keiner nach. Aber einer hat es ihm vorgemacht: der amerikanische Filmstar Douglas Fairbanks, der in den zwanziger Jahren als Robin Hood, als D'Artagnan oder als Dieb von Bagdad wortlos die Leinwand eroberte. Wie Fairbanks führt nun auch der 1972 in der französischen Provinz geborene Dujardin ein keckes Schnurrbärtchen vor und dazu auch die Kunst, einen sportlich-kräftigen Körper elegant in Bewegung zu setzen. Das Publikum und die Kritik sind sich einig, sie scheinen auf einen wie ihn nur gewartet zu haben, jedenfalls gilt nicht nur Michel Hazanavicius' Film "The Artist" als Oscarfavorit, sondern auch dessen charmanter Hauptdarsteller Jean Dujardin.

 

Im Ausland war dieser Mann bisher kaum bekannt, in Frankreich ist er dagegen schon lange ein Star. Dujardin hat in jungen Jahren als Schlosser gearbeitet, er wagte dann den Sprung auf die Bühne und führte Mitte der neunziger Jahre erfolgreich kabarettistische Einmannshows auf. Landesweit bekannt wurde er schließlich durch die populäre Sitcom "Un gars, une fille", in der er von 1999 bis 2003 mitwirkte und dabei auch seine Frau und Kollegin Alexandra Lamy kennenlernte.

Der blonde Surferboy Dujardin

Zwei Jahre später taucht Dujardin in der fröhlichen Klamotte "Cool Waves - Brice de Nice" als blonder Langhaarsurfer im pissgelben T-Shirt und mit Schlabberhose auf, marschiert in eine Bank, haut einem Angestellten sein Brett um die Ohren, steigt auf den Tresen, stellt sich rappend und hüftschwingend vor und macht mit seinem Song, einer Coverversion von George Bensons "Give me the Night", aus dem vornehm-steifen Geld- ein ausgelassenes Tanzinstitut. Vier Millionen Franzosen haben sich diesen Spaß angesehen, und auch der Song, samt Filmsequenz auf Youtube zu hören, wurde zum Hit.

In der 2006 entstandenen Agentenparodie "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" und in deren drei Jahre später entstandenen Fortsetzung, beide übrigens inszeniert vom "Artist"-Regisseur Hazanavicius, albert sich Dujardin als ebenso arroganter wie ignoranter Geheimdienstheld Hubert Bonisseur de la Bath durch die fünfziger Jahre. Er sieht aus wie eine Mischung aus Sean Connery als Bond und Jean-Paul Belmondo in jungen Jahren und sagt bei einem Einsatz in Kairo über den Islam: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich so was lange hält." Aber er bringt auch wieder Körpereinsatz und klettert ein Minarett hoch, um dem Muezzin, der ihn zu früh geweckt hat, mal Bescheid zu stoßen.

Nettes und Böses Ego

Aber Dujardin beherrscht nicht nur die nette Klamotte, sondern auch die böse Satire. In Jan Kounens Verfilmung des skandalauslösenden Schlüsselromans "39,90" von Frédéric Beigbeder säuft und kokst er sich als Alter Ego des zynischen Autors durch die wüste Werbebranche. Wobei er mit seinen langen, glatten Haaren und der dunkeldicken Brille etwas Nerdiges ausstrahlt, allerdings auch einen Rest von Dujardin'schen Charme, den selbst diese schwarze, rasante und mitunter surreale Tour de Force nicht ganz unterdrücken kann. So fiebert man doch ein bisschen mit, wenn er in dieser abgründigen Geschichte, die wie die moderne Fortsetzung der "Mad Men"-Serie auf Speed wirkt, ins mörderisch leere Leben hineinschlittert. Wobei "39,90" ein alternatives Ende anbietet, das sich freilich als Halluzination herausstellt.

Jean Dujardin beherrscht noch viel mehr, zum Beispiel das zurückgenommene Spiel in einem realistisch-ernsten Drama. Eigentlich hat er in Guillaume Canets 2010 gedrehtem Ensemblefilm "Kleine wahre Lügen" den undankbarsten Part. Während seine Clique am Atlantik Ferien macht, liegt er schwer verletzt im Hospital, und so wie ihn die anderen langsam zu vergessen scheinen, schaut der Film nur hie und da mal kurz rein ins Krankenzimmer und in sein verquollenes Gesicht. Aber die Eröffnungssequenz, eine lange, ungeschnittene Einstellung, gehört ganz ihm. Die Kamera begleitet ihn dabei durch einen Club, den er lächelnd durchstreift, sie beobachtet, wie er hier ein Küsschen gibt und da die Hand zum Gruß hebt, wie er schließlich hinausgeht in die Dämmerung und sich auf sein Motorrad setzt, wie bei der Fahrt durch die Straßen langsam das Euphorische aus seiner Miene sickert, sich die Melancholie einschleicht, das Gesicht zu versteinern scheint. Dujardin, der sich so extrovertiert geben kann, spielt dies sehr gesammelt - und doch mit ungeheurer Intensität.

Auch diese Seite des Jean Dujardin ist in "The Artist" zu sehen, aber dominiert wird dieser Film doch von seinem selbstbewussten Lächeln und seiner stolzen physischen Präsenz. Zusammen mit seiner ebenfalls exzellenten Filmpartnerin Bérénice Bejo hat er für diesen Stummfilm sogar das Steppen gelernt, und wenn die beiden am Ende durch die Kulissen fegen, überträgt sich ihre gute Laune auch auf den Zuschauer. "With pleasure!", sagt Dujardin nach dieser Tanzeinlage und verbeugt sich. Es sind seine einzigen hörbaren Worte in diesem Film, und er spricht sie mit französischem Akzent. So wird klar, warum der Tonfilm für diesen Helden beinahe das Ende der Hollywoodkarriere bedeutet hätte. Der grandiose Stummfilm "The Artist" aber könnte Jean Dujardin nun alle Türen in Hollywood öffnen. Wobei er erklärt: "Ich träume nicht davon, den amerikanischen Markt zu erobern. Ich bin glücklich mit meiner Arbeit und meinem Leben in Frankreich." Nein, dieser Jean Dujardin, der so virtuos die klassischen Zeiten der Traumfabrik neu aufleben lässt, braucht Hollywood gar nicht. Umgekehrt könnte es schon sein, dass Hollywood einen wie ihn bräuchte.

Auf dem Weg nach oben

Komik: In Frankreich, sagt Jean Dujardin, gebe es „nicht die Tradition der Selbstverspottung wie in der englischen oder amerikanischen Kultur“. Komödien wie die „OSS117“-Filme würden deshalb außerhalb seiner Heimat nicht funktionieren, sie bräuchten französisches Publikum. Der Erfolg solcher Filme bestehe darin, dass die Franzosen endlich „über Frankreich und seine Eigenheiten lachen“.

Preise: Seine Rolle in „The Artist“ hat Dujardin den Durchbruch gebracht. Er war nominiert für den Europäischen Filmpreis, wurde in Cannes als bester Darsteller ausgezeichnet und hat gerade den Golden Globe 2012 als bester Hauptdarsteller in Musical/Komödie erhalten. Er ist mit George Clooney, Brad Pitt, Gary Oldman und Démian Bichir für den Oscar nominiert.