Bei der Amtseinführung des neuen Bundesbankpräsidenten Joachim Nagel steht der Preisauftrieb im Mittelpunkt.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Der neue Bundesbankchef Joachim Nagel warnt vor einer Unterschätzung der Inflationsrisiken. Er sehe „die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet“, sagte Nagel am Dienstag auf einer Feier zu seinem Amtsantritt in Frankfurt. Mit Blick auf die Europäische Zentralbank (EZB) fügte er hinzu: „Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen.“ Die Inflationsrate in Deutschland wie der Eurozone lag im Dezember bei rund fünf Prozent.

 

EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte: „Uns ist bewusst, dass steigende Preise vielen Menschen Sorge bereiten, und wir nehmen diese Sorge sehr ernst.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, für Geringverdiener könnten „schon zahlenmäßig geringe Preissteigerungen den Unterschied zwischen einem vollen und einem leeren Kühlschrank am Monatsende ausmachen“.

Hohe Energiekosten belasten vor allem Geringverdiener

Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts gaben Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1300 Euro im vergangenen Jahr durchschnittlich 95 Euro für Wohnenergie aus. Dies entspreche 9,5 Prozent ihrer gesamten Konsumausgaben. Nach Plänen der Bundesregierung sollen mehr als 700 000 Haushalte einen einmaligen Heizkostenzuschuss von mindestens 135 Euro erhalten. Die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte zudem angekündigt, die Notenbank werde die Folgen der Energiepreise für die Entwicklung der Inflationsrate künftig genauer in den Blick nehmen.

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EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bekräftigte indes in einem Interview mit einer italienischen Tageszeitung die Einschätzung, die Inflationsrate im Euroraum werde 2023 wieder unter zwei Prozent sinken. Eine Zinserhöhung in diesem Jahr sei „ziemlich unwahrscheinlich“.

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Die Bundesbank hat in den vergangenen Jahren immer wieder vor den Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik gewarnt, ihr bisheriger Präsident Jens Weidmann trug nicht alle Entscheidungen des EZB-Rats mit. EZB-Präsidentin Lagarde würdigte unterdessen Weidmanns Haltung: „Du warst immer eine sehr deutliche Stimme“, sagte die Französin, die den Ex-Bundesbankpräsidenten in ihrer Muttersprache mit den Worten „mon cher Jens“ („mein lieber Jens“) begrüßte.

Weidmann warnt vor Kompromissen zugunsten der Finanzminister

Weidmann selbst sagte über die Debatten im EZB-Rat: „Wir haben nicht nur miteinander diskutiert, sondern auch um den richtigen Weg gerungen.“ Versöhnliche Worte fand der 53-Jährige für Lagardes in Deutschland heftig umstrittenen Vorgänger Mario Draghi: „Mario Draghi hatte keine leichte Amtszeit, und er hat es sich mit seinen Positionen nicht leicht gemacht.“

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Zum Abschied gab Weidmann der EZB noch eine Mahnung mit. Das Vertrauen der Bürger in die Notenbank hänge davon ab, dass diese das Ziel der Geldwertstabilität „ohne Abstriche und Kompromisse“ verfolge, „insbesondere ohne Rücksicht auf die Finanzierungskosten des Staates“. Die Niedrigzinspolitik der EZB drückt die Finanzierungskosten der Euroländer, was besonders für die hoch verschuldeten Staaten in Südeuropa eine große Erleichterung bedeutet.

Auch der neue Bundesbankchef Nagel betonte, Notenbanken dürften nicht aus Rücksicht auf die Finanzminister auf Zinserhöhungen verzichten: „Es ist elementar, dass die Geldpolitik nicht unter Druck gerät, die Solvenz der Staaten sicherzustellen.“ Die in der Coronakrise gestiegenen Staatsschulden müssten „zuverlässig zurückgeführt“ werden, forderte Nagel.

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