VW-Chef Herbert Diess will den Autokonzern klimaneutral machen – auch auf Kosten von Arbeitsplätzen.

Wolfsburg - Nachdem VW in den vergangenen Jahren mit den Folgen des Abgasskandals zu kämpfen hatte, soll der Autokonzern nun Vorbild für eine saubere Mobilität werden. „Wie kein anderes Unternehmen unserer Industrie richten wir Volkswagen auf Elektromobilität aus“, sagte Vorstandschef Herbert Diess, der Matthias Müller im vergangenen April abgelöst hat. 2019 werde zum Schlüsseljahr für die konzernweite E-Offensive, so Diess, weil nun die ersten reinen E-Autos bei Audi, Porsche und der Marke Volkswagen produziert werden.

 

Fast 70 neue Elektromodelle

Bis 2028 sollen fast 70 neue Elektromodelle auf den Markt kommen – statt 50 wie bisher geplant. Allein bis 2023 sollen dafür mehr als 30 Milliarden Euro investiert werden. „Wenn wir die CO2-Emissionen in den kommenden Jahren nicht signifikant senken, schreitet die Erderwärmung unkontrolliert voran – mit verheerenden Folgen“, sagte der Konzernchef. „Darum bekennen wir uns voll und ganz zu dem Ziel, die Erderwärmung bis 2050 auf unter zwei Grad zu begrenzen.“

Die geplante Welle neuer Stromer soll maßgeblich dazu beitragen, dass der Konzern bis zum Jahr 2050 annähernd klimaneutral wird und unter dem Strich überhaupt nicht mehr zur Erderwärmung beiträgt. Dazu setzt der Konzern in den Werken auf den Einsatz erneuerbarer Energien. Um auch mittelfristig nicht vermeidbare CO2-Emissionen bei der Fahrzeugherstellung auszugleichen, wird ein Fonds aufgelegt, aus dessen Mitteln zum Beispiel die Aufforstung und der Schutz bedrohter Wälder finanziert werden. „All das zusammen ist der bisher ehrgeizigste und weitreichendste Klimaschutzansatz in der Automobilbranche“, sagte Diess. Damit der Durchbruch beim Elektroauto gelingt, muss nach Einschätzung des Konzernchefs allerdings auch die Politik einen Beitrag leisten. Dazu gehöre, dass Mieter und Eigentümer ein Anrecht darauf haben müssten, eine private Ladestation zu installieren. „Die Infrastruktur muss in den kommenden Jahren genauso rasant wachsen wie das Angebot an E-Autos“, sagte Diess.

„Werden Arbeitsplätze abbauen“

Der VW-Chef verschwieg nicht, dass der forcierte Ausbau der Elektromobilität Arbeitsplätze kosten wird. „Ein Elektroauto lässt sich mit etwa 30 Prozent weniger Aufwand herstellen als ein Verbrenner. Das heißt: Wir werden Arbeitsplätze abbauen“, sagte Diess und fügte hinzu, dass es schwer werde, dies nur mit dem Verzicht auf die Wiederbesetzung frei werdender Arbeitsplätze und Altersteilzeit zu schaffen. Bis 2025 ist bei VW ein Verzicht auf Kündigungen vereinbart. Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Mitarbeiter des Volkswagen-Konzerns weltweit um rund vier Prozent auf 664 500 zugenommen.

Obwohl sich die Konjunktur eintrübt, rechnet Finanzchef Frank Witter in diesem Jahr mit einem leichten Absatzplus und mit einem Umsatzanstieg um bis zu fünf Prozent. Im vorigen Jahr legte der Umsatz um 2,7 Prozent auf 235,8 Milliarden Euro zu. Für das operative Ergebnis rechnet der Konzern mit einer Umsatzrendite zwischen 6,5 und 7,5 Prozent.

Als größte Herausforderung des vergangenen Jahres bezeichnete Konzernchef Diess die Umstellung auf das neue Abgasprüfverfahren WLTP. Seit September dürfen nur noch Neuwagen verkauft werden, die nach diesem neuen Verfahren zertifiziert sind. Es hat den Prüfstandard NEFZ abgelöst, der Herstellern großen Spielraum gab, auf den Prüfständen geschönte Verbrauchs- und Abgaswerte zu erreichen, die mit dem Verbrauch auf der Straße wenig zu tun hatten.

Nachwirkungen des Abgasskandals belasten

Weil der Konzern die Genehmigungen nicht rechtzeitig schaffte, kam es zu Lieferengpässen. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte habe dies zu Rückgängen bei den Verkäufen und Marktanteilen geführt. Besonders Audi habe darunter gelitten. Dort werden nach Angaben von Diess voraussichtlich erst Ende des ersten Quartals wieder alle Varianten verfügbar sein. „Auch bei der Marke Volkswagen mussten wir bis Ende Dezember um jedes Auto kämpfen“, so der Konzernchef. Auch im laufenden Jahr könne es vorübergehend zu Einschränkungen kommen, sagte Diess, allerdings in weit geringerem Umfang. Dazu soll beitragen, dass die Zahl der Modellvarianten bei der Marke VW um 25 Prozent und bei Audi um 30 Prozent verringert wurde.

Die Nachwirkungen des Abgasskandals belasteten die Ertragsrechnung im vergangenen Jahr wie schon 2018 laut Finanzchef Witter mit 3,2 Milliarden Euro – 1,8 Milliarden davon entfallen auf Bußgeldbescheide der Staatsanwaltschaften Braunschweig und München für VW und Audi. Hinzu kommen unter anderem höhere Aufwendungen für Anwälte und die Vorsorge für Rechtsrisiken. Berücksichtigt man diese Belastungen, ging die operative Umsatzrendite des Konzerns leicht auf 5,9 Prozent zurück.

Trotz all dieser Kosten stand jedoch für das Jahr 2018 unter dem Strich ein Gewinn nach Steuern von 12,1 Milliarden Euro.