Auf den gewaltsamen Tod George Floyds und die darauf folgende Protestwelle in den Vereinigten Staaten folgt nun ein Sinneswandel im US-Kongress. „Juneteenth“ heißt der neue Feiertag, den der Senat am Dienstag beschloss. Nicht alle waren jedoch dafür.

Washington - In den USA gibt es Feiertage, die immer auch ein wenig den Rhythmus des Landes bestimmen. Am Memorial Day, dem letzten Montag im Mai, wird nicht nur der Kriegstoten gedacht, an dem Tag beginnt auch die Sommersaison, was man schon daran erkennt, dass überall die Freibäder öffnen. Der Labor Day, der erste Montag im September, erinnert nicht nur an die Kämpfe der Arbeiterbewegung, er steht auch für das gefühlte Ende des Sommers. Am Independence Day, dem 4. Juli, feiert die Republik im Zeichen opulenter Feuerwerke und nicht minder opulenter Grillpartys das Ende der britischen Kolonialherrschaft.

 

1865 wurden die Sklaven in Texas befreit

Nun kommt ein neuer säkularer Feiertag hinzu, der 19. Juni, June Nineteenth, mit dem landestypischen Faible für Abkürzungen schlicht Juneteenth genannt. Zurück geht es auf eines der letzten Kapitel des amerikanischen Bürgerkriegs, auch wenn der zu dem Zeitpunkt eigentlich schon beendet war. Am 19. Juni 1865 marschierten Truppen der Nordstaaten in Galveston ein, einer texanischen Küstenstadt am Golf von Mexiko. Ihr Kommandeur, ein Generalmajor namens Gordon Granger, gab Befehle, die versklavten Schwarzen in Texas, mehr als einer Viertelmillion Menschen, die Freiheit brachten. Zwar hatte der Präsident Abraham Lincoln die Sklaven der Südstaaten bereits mit der Emancipation Declaration, in Kraft getreten am 1. Januar 1863, für frei erklärt. Zwar hatten die Konföderierten des Südens bereits im April kapituliert, sodass durchgesetzt werden konnte, was Lincoln verfügte. Bis aber Grangers Soldaten das ferne Galveston erreichten, blieb in Texas alles beim Alten. Weil Sklavenbesitzer den Anschein erweckten, als hätte sich nichts geändert, erfuhren die Unterjochten erst mit zwei Monaten Verspätung, dass sich Grundlegendes geändert hatte.

Der Tod George Floyds bewirkte einen Sinneswandel

Seither markiert der 19. Juni 1865 das tatsächliche Ende der Sklaverei, eine Wende, die das schwarze Amerika seit Langem feiert, während das weiße sie eher ignorierte. Letzteres änderte sich mit dem Tod George Floyds, dem ein Polizist in Minneapolis neun Minuten lang das Knie in den Nacken drückte. Der Protestwelle, die durchs Land rollte, folgte, jedenfalls in Bezug auf Juneteenth, ein Sinneswandel im US-Kongress. Am Dienstag beschloss der Senat einstimmig, das Kapitel offiziell zu feiern. Am Mittwoch folgte das Repräsentantenhaus, wobei nur 14 der 435 Abgeordneten, allesamt Republikaner, mit Nein stimmten. Am Donnerstag setzte Präsident Joe Biden, gerade zurückgekehrt aus Europa, seine Unterschrift unter das entsprechende Gesetz. „Große Nationen“, sagte er, auf die Sklaverei anspielend, „blenden ihre schmerzlichsten Kapitel nicht aus, sie stellen sich ihnen“. Als Martin Luther King, der 1968 ermordete Bürgerrechtsprediger, mit einem Gedenktag geehrt werden sollte, vergingen 15 Jahre, ehe das Parlament nach hartem Ringen Beschlüsse fasste. Im Vergleich dazu hat es diesmal rasend schnell Nägel mit Köpfen gemacht.

2250 Kilometer zu Fuß

Dann wäre da noch Opal Lee, eine Afroamerikanerin, die sich im Alter von 89 Jahren vornahm, die 1400 Meilen (circa 2250 Kilometer) von ihrem texanischen Wohnort Fort Worth nach Washington zu Fuß zurückzulegen. Pro Tag wollte sie zweieinhalb Meilen schaffen, was Symbolwert hatte, denn zwischen Lincolns Emancipation Declaration und der Order des Generals Granger in Galveston lagen einst etwa zweieinhalb Jahre. Am Ende beließ es die heute 94-Jährige dabei, hier und da symbolische zweieinhalb Meilen zu laufen – immer noch bewundernswert angesichts ihres Alters. Parallel dazu organisierte sie eine Unterschriftensammlung. Im Kongress, begründete es Opal Lee neulich in einem Interview, sollten sie wissen, dass es nicht nur „eine alte Dame in Tennisschuhen“ sei, die diesen Feiertag fordere.