Johannes Kretschmann wollte in den Bundestag einziehen, das hat nicht geklappt. Jetzt zieht der Sohn des baden-württembergischen Ministerpräsidenten als Schwäbisch-Lehrer durch die Lande.

Wer schreibt heute noch Dialekt? Selbst hartnäckige Alemannen setzen ein „hochachtungsvoll“ unter Mail und Brief. Johannes F. Kretschmann beendet sein Schreiben mit „an scheena Gruaß“. Für den 44-jährigen grünen Kreisrat aus dem Kreis Sigmaringen ist das nicht nur eine Marotte. Mit seiner Kampagne fürs Schwäbisch macht er sich für ein, wie er sagt, unterschätztes Medium stark. Er doziert vor Schulklassen über die Vielfalt des Dialekts oder tritt auf Kleinkunstbühnen auf.

 

Unter anderen Umständen säße der Sohn von Winfried Kretschmann heute im Bundestag. Doch verpasste er 2021 den Einzug über die Landesliste knapp. Platzhirsch Thomas Bareiß von der CDU holte das Mandat und JFK, wie sich der Grüne selbst abkürzt, musste sich nach einer neuen Tätigkeit umsehen. Schon bisher war er durch originelle Berufe aufgefallen. Er diente als Sargträger, Online-Redakteur, Romancier, Kochbuchautor. Nun engagiert er sich in der Dialektszene, die er durch Deftiges aus eigener Feder oder aus dem Opus der Stuttgarter Dialekt-Autorität Thaddäus Troll aufmischt.

Die Liebe zum Dialekt liegt in der Familie

Schon im Elternhaus wurde stets Dialekt gesprochen. Kretschmanns Vater, der Ministerpräsident, hält die heimatliche Fahne seit dem ersten Tag in der Villa Reitzenstein hoch. Sein Sohn Johannes macht daraus eine Kunstform. „Schwäbisch vom Feinschta“ versprechen die Programme.

Für die Landesregierung arbeitete Kretschmann junior 2019 als Berater. Die SPD im Landtag witterte damals, dass dem Linguisten eine gut dotierte Tätigkeit zugeschoben worden sei. Das dementierte der Dialektexperte Kretschmann; er habe für seine Expertise keinen Cent erhalten. Wer den Mann im besten Schwabenalter in seinem gemieteten Haus in Laiz aufsucht, kann bestätigen: Er lebt bescheiden, mahlt seinen Kaffee in einer alten Mühle von Hand und bestückt die Wände mit Kinoplakaten aus vergangenen Jahrzehnten. Einer seiner größten Wertgegenstände ist ein Horn. Das benötigt er, wenn er in der Dorfkapelle von Laiz aufspielt.

Johannes Kretschmann geht es auch um Unterhaltung. Er ist ein von Konventionen unbeeindruckter Optimist. Doch hat sein Einsatz für den Dialekt auch einen ernsten Unterton: Der studierte Sprachwissenschaftler will zeigen, dass die Mundart als Medium ebenbürtig ist. Man müsse sich nicht schämen, Schwäbisch zu sprechen. In seinen Shows weist er mit witzigen Beispielen darauf hin, dass seine Mundart über Register verfügt, die der Hochsprache fremd sind. Eine Mail beendet JFK mit dem schwäbisch-jüdischen „Shalömle“. Er hätte auch sagen können „A guets Nächtle“. Für so etwas gehen dem Hochsprachler die Worte aus.