Der Bestseller-Autor John Grisham hat einen neuen Thriller geschrieben, der seine Leser zurück ins Jahr 1990 nimmt – ohne Handy und Internet, aber mit gelebten Rassismus, häuslicher Gewalt und nur mäßig aktiver Polizei.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Der Hilfssheriff Stuart Kofer hat zwei Gesichter: Unter seinen Kollegen der Polizei im Ford County im US-Staat Mississippi gilt er als guter Polizist, der sich einsetzt und seine Arbeit gewissenhaft erledigt. Wenn Stuart Kofer allerdings trinkt, und das tut er sehr oft, wird er zum unberechenbaren Schläger.

 

Darunter leiden Josie Gamble und deren Kinder Kiera und Drew. Regelmäßig kommt Kofer nachts sturzbetrunken nach Hause und drischt auf seine Lebensgefährtin und deren Kinder ein – bis die Situation eines Tages eskaliert. Weil Drew Gamble seine Mutter Josie zu Tode geprügelt wähnt, nimmt er Kofers Dienstwaffe, hält sie dem sturzbetrunkenen und schlafenden Mann an die Schläfe und drückt ab.

Ein kaltblütiger Rachemord

War es ein kaltblütiger Rachemord oder eine gerechtfertigte Tötung im Sinne der Notwehr? Widerwillig übernimmt der Anwalt Jake Brigance den Fall, und wer zu den langjährigen Fans des US-Autors zählt, wird sich an Brigance erinnern: In „Die Jury“ aus dem Jahr 1989 rettete er den Afroamerikaner Carl Lee Hailey vor der Todesstrafe, nachdem dieser die brutalen Vergewaltiger seiner zehnjährigen Tochter vor dem Gerichtsgebäude erschossen hatte. 2013 hatte Jake Brigance seinen nächsten Auftritt in „Die Erbin“.

Nun also ist der dritte Schmöker rund um den findigen Anwalt mit dem Herzen auf dem rechten Fleck erschienen. Seit den Geschehnissen in „Die Erbin“ sind wieder ein paar Jahre ins Land gegangen. Grisham-Fans feiern ein Wiedersehen mit den Figuren aus den früheren Ford-County-Romanen, die Leser lernen eine Menge über das Justizsystem der USA, in dem wie in vielen anderen Bereichen des dortigen Lebens Gerechtigkeit auch eine Frage der finanziellen Ressourcen ist.

Spannendes Sozial- und Gerichtsdrama

John Grisham entfaltet auf 670 Seiten ein spannendes Sozial- und Gerichtsdrama, das nicht frei von Klischees ist, aber lesenswert bleibt. Die übel verprügelte Josie Gamble und deren Kindern zählen zum so genannten „White Trash“, also der weißen Unterschicht. Die Familie des erschossenen Stuart Kofer ist nahe dran, Selbstjustiz zu üben, die Spannungen in der Kleinstadt Clanton geraten an einen Siedepunkt – bis eine Tatsache bekannt wird, die den Fall für Jake Brigance zu einem vermeintlich leichten Spiel werden lässt.

John Grisham: Der Polizist. Roman. Heyne Verlag München. Gebunden mit Schutzumschlag, 24 Euro. Auch als E-Book und Hörbuch erhältlich.