Mit der Band Dirty Loops wurde der Sänger und Pianist Jonah Nilsson zum Youtube-Star. Beim Konzert im Jazzclub Bix präsentierte er sich als in jeder Hinsicht überbordendes Talent.

Stuttgart - Als der Schwede Jonah Nilsson am Donnerstagabend im gut gefüllten Stuttgarter Jazzclub Bix den Mund öffnet und zu singen beginnt, traut man seinen Ohren nicht: Mit gesalbter Stimme schmettert, säuselt, juchzt, croont und kiekst er, als wäre er ein R&B-Weltstar – mit einem immensen Tonumfang und einer ausdefinierten Kopfstimme. Dabei lässt er sich nicht auf ein einziges Vorbild festnageln; offenbar hat Nilsson alle Großen genau studiert, Stevie Wonder und Prince, Curtis Mayfield und Michael Jackson, Philip Bailey von Earth Wind & Fire und Justin Timberlake. Dazu spielt er himmlisch Klavier, eine klassische Ausbildung mischt sich hier mit einem sicheren Gespür für Jazz und gut inszenierte Soli.

 

Zum überbordenden Talent und der großen Musikalität kommt ein einnehmender, jungenhafter Charme – es ist kein Wunder, dass der große Musikproduzent Quincy Jones den 32-Jährigen im Blick hat, der mit mit seiner Band Dirty Loops und Covers von Adele, Lady Gaga und Justin Bieber zum Youtube-Star wurde. „Loopified“ (2014), das Debütalbum der Combo, nahm der renommierte kanadische Produzent David Foster (Madonna, Michael Jackson, Chaka Khan) auf.

Die Musiker können alles spielen

Am Eröffnungsabend des Festivals Jazz Open ist Nilsson als Solokünstler mit anderen Kollegen am Start, und die können wie er selbst praktisch alles spielen – die schwedische Musikerförderung funktioniert. Der Keyboarder Kristian Kraftling bedient an Orgel, E-Piano oder Streichersounds alle jeweiligen Hörerwartungen, die Rhythmusgruppe, Tobias Grenholm am E-Bass und Kefa Figaro am Schlagzeug, unterlegt den Abend mit muskulösen, messerscharfen Funk- und Discobeats.

Dazu läuft durchweg ein Playback, mehrstimmige Chöre und instrumentale Verzierungen, und das ist der erste kleine Dämpfer: Alle Musiker haben einen Knopf im Ohr, all die poppigen Arrangements sind bis ins Detail exakt geplant, die vermeintliche jazzige Spontaneität nur vorgetäuscht. Der zweite kleine Dämpfer: Nilsson hat nicht viel zu sagen, er beschränkt sich weitgehend auf leidenschaftlich vorgetragene Herz-Schmerz-Schnulzen. Und er gibt sogar explizit zu, dass er es „cheesy“ (kitschig) mag, ehe er den Schmachtfetzen „My Kind of Girl“ des R&B-Balladeurs Brian McKnight intoniert.

Nilsson macht Eindruck

Sollte Nilsson eines Tages die Freiheit für sich entdecken, das Pop-Hit-Korsett sprengen und sich mit seinen Fähigkeiten hinauswagen ins Ungewisse – alles wäre möglich. Am Donnerstag im Bix verzichtet er sogar auf Kunst- und Wirkungspausen, gibt permanent Vollgas und stimmlich in jedem einzelnen Moment alles. Vielleicht ist deshalb schon nach einer Stunde zehn Schluss. Großen Eindruck hinterlässt Nilsson dennoch, das überwiegend junge Publikum zwischen 20 und 30 jedenfalls ist begeistert, applaudiert heftig, klatscht mit. Und das Festival Jazz Open hat gleich am ersten Abend den ersten programmatischen Überraschungscoup gelandet.