Der Tenor Jonas Kaufmann ist in der Elbphilharmonie von Besuchern massiv gestört worden: weil ihn nicht alle gut hören konnten. Prompt stimmen selbst jene in den Shitstorm auf die Akustik des gehypten Hauses ein, die bei dessen Eröffnung vor zwei Jahren noch jubelten.

Hamburg - Zurück in die Schuhschachtel! Jonas Kaufmann, zurzeit der beliebteste, wahrscheinlich auch teuerste deutsche Tenor, ist in der Hamburger Elbphilharmonie ausgebuht worden. Nicht etwa, weil man sein Experiment missbilligt hätte, in Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ beide Solostimmen (also sowohl die Tenor- als auch die Baritonpartie) zu singen. Sondern weil jene Besucher, die in der gehypten Klangarena im Rücken des Sängers saßen, dessen edles Organ nur schlecht hören konnten. Etliche von ihnen sind deshalb während des Stücks aufgestanden, um sich einen neuen Platz zu suchen. Andere haben den Saal verlassen und dabei lautstark die Türen hinter sich zugeworfen. Und manche haben ihren Unmut gar in die Pausen hineingebrüllt. Hinterher suchte die Wut ihr Ventil auch in den sozialen Netzwerken.

 

In gewissem Maße ist das verständlich: Wer nach langem Warten endlich eine Karte für das neue Wahrzeichen Hamburgs ergattert, wer für das Live-Erleben des Startenors um die 150 Euro pro Karte bezahlt, der will den Sänger nicht nur (möglichst von vorne) sehen, sondern auch hören. Dem steht allerdings schon das Stück selbst entgegen, denn der Sänger muss sich hier gegen ein massives Orchester behaupten. Wer kein regelmäßiger Klassik-Konzertgänger ist, der konnte das allerdings nicht wissen. Und Nicht-Klassik-Geübte gibt es in Hamburg genug – schließlich gründet der anhaltende Run auf die Karten hier schlicht auch darin, dass man in dem 800-Millionen-Renommierhaus unbedingt mal drin gewesen sein will. Egal, was die Musik spielt. Und weiterhin gilt: Die Akustik in der Elbpilharmonie ist exzellent. Sie ist so klar, dass man zuweilen sogar das Bonbonrascheln von Plätzen auf der anderen Seite der zentralen Bühne mitbekommt.

Kaufmann will künftig lieber in der alten Laeiszhalle auftreten

Schöne Rücken indes entzücken nicht jeden, zumal dann nicht, wenn sie einem gut aussehenden Sänger gehören. Und, wichtiger noch: Sänger haben in der „Elphi“ ein Grundproblem. Der Klang ihrer Stimmen geht nicht wie der eines Orchesters nach oben und vermischt sich dort reizvoll, sondern er hat eine Richtung. Wer hinter einem Sänger sitzt, hört diesen nur sehr leise (und manchmal gar ein wenig zu spät). Das war schon im Eröffnungskonzert zu hören, wo der feine Tenor Pavol Breslik (als Einspringer übrigens für den damals erkrankten Kaufmann) noch viel leiser klang, als er es ohnehin tut. Eine Regel ist das allerdings nicht: Yasuhisa Toyotas Akustik ist eine Diva – so launisch, dass sie Cecilia Bartoli, einer Sängerin mit noch deutlich „kleinerer“ Stimme, erst unlängst eine brillante Plattform bescherte.

Jonas Kaufmann, nach seinem Konzert erst hoch erregt, will nun zwar nicht gleich eine Totalabsage an das überbuchte Konzerthaus geben. Er überlegt sich aber offenbar, im Zweifelsfalle demnächst die gute alte Laeiszhalle vorzuziehen: eine Schuhschachtel des traditionellen Frontaltheater-Zuschnitts, aber akustisch berechenbar. Bei der Eröffnung hat der Intendant der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, gesagt, in diesem Haus ließe sich auch ein Konzert mit Putzfrauen verkaufen, die auf Kämmen blasen. Vielleicht sollte er das lieber lassen – und besser darüber nachdenken, was zu Toyotas Akustik passt und was nicht. Und wer Jonas Kaufmann live erleben möchte, könnte zum „Fidelio“ nach München fahren. An der Bayerischen Staatsoper singt der Tenor zurzeit den Florestan, und vielleicht passt auch das einfach besser.