Die US-Bank JP Morgan lässt es sich die Rekordsumme von 13 Milliarden Dollar kosten, um im Rahmen eines Vergleichs mit dem US-Justizministerium die Altlasten der amerikanischen Hypothekenkrise loszuwerden.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Es ist die bisher größte Strafe der US-Wirtschaftsgeschichte. 13 Milliarden Dollar (9,6 Milliarden Euro) zahlt jetzt die US-Großbank JP Morgan im Rahmen eines Vergleichs mit dem US-Justizministerium. Damit soll ein Schlussstrich unter das langwierige Verfahren gezogen werden, das die Manipulationen und unethischen Geschäftspraktiken im Visier hatte, die vor fünf Jahren zum Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes und zur großen globalen Finanzkrise beigetragen haben. Das ist etwa die Hälfte des Jahresgewinns der Bank. Die Summe ist ein Vielfaches der 4,5 Milliarden Dollar, die der Ölkonzern BP Ende 2012 für die Folgen des Unfalls auf der Bohrinsel Deepwater Horizon zahlte, oder der drei Milliarden Dollar, die der britische Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline ebenfalls 2012 wegen der illegalen Vermarktung von Medikamenten auferlegt bekam.

 

JP Morgan ist nicht die erste und nicht die letzte US-Bank, die sich mit hohen Beträgen freizukaufen versucht. „Wir sind mit unseren Verfahren noch lange nicht am Ende“, sagte der US-Justizminister Eric Holder mit Blick auf andere Unternehmen. Die Finanzinstitute in den USA haben in einer ganzen Reihe von Fällen bereits Milliarden gezahlt – Gerichtsprozesse haben sie damit fast immer vermieden. In zähen Verhandlungen eingefädelte Deals sind für die Wall Street in den vergangenen Jahren der bevorzugte Weg gewesen, um die juristischen Altlasten der Finanzkrise loszuwerden. „Im Allgemeinen ist auch die US-Bundesregierung zurückhaltend mit Gerichtsverfahren im Finanzbereich“, schreibt die „New York Times“: „Man fürchtet, dass eine Flut an völlig undurchschaubaren Vokabeln die Jurys überfordert und den Banken Siege ermöglicht.“

So ist die juristische Niederlage, welche die US-Großbank Bank of America Ende Oktober vor einem Gericht in Manhattan erlitt, eher die Ausnahme. Dort fordert die US-Regierung jetzt 864 Millionen Dollar Schadenersatz. Ob die für das Strafmaß zuständige Richterin dieser Forderung stattgibt, ist offen. Das Verfahren wird noch weitere Instanzen beschäftigen.

Die finale rechtliche Würdigung bleibt auf der Strecke

Beim Vergleich zwischen JP Morgan und dem US-Justizministerium bleibt hingegen die finale rechtliche Würdigung auf der Strecke. Nur zwei Milliarden Dollar im Rahmen des 13-Milliarden-Paketes sind als „penalty“ deklariert, also als Strafzahlung. Schon bei den Tranchen für die Bundesstaaten Delaware, Illinois, Kalifornien, Massachusetts und New York geht es weniger um ein Bußgeld, sondern um einen Ausgleich dafür, dass diese durch faule Kredite geschädigt wurden. Ein anderer Teil des Geldes fließt an Bundesinstitutionen wie die Behörde für Hausbau (Federal Housing Agency).

Es ist deshalb müßig zu fragen, ob der Staat durch solche Vergleichszahlungen einen Gewinn macht: Dem Geld steht meist ein Schaden gegenüber. Es bleibt das Fazit, dass die Finanzkrise in den USA für die Banken und ihr Führungspersonal so gut wie keine strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Konsequenzen hatte. Auch Urteile gegen Einzelpersonen, wie der im Sommer gefällte Schuldspruch gegen Fabrice Tourré, zu Zeiten der Hypothekenkrise ein prominenter Händler bei Goldman Sachs, sind weiterhin die Ausnahme, nicht die Regel. Tourré droht eine Geldstrafe und ein Berufsverbot – doch er ging in Berufung. Seine Bank kaufte sich schon 2010 per Vergleich für eine halbe Milliarde Dollar frei.

Gerichte, Justizministerium und die Finanzaufsicht haben in den vergangenen Jahren auch aus politischen Gründen gerne Vergleiche geschlossen, von denen durch die Hypothekenkrise gebeutelte Hausbesitzer profitieren – etwa durch einen Schulden- oder Zinserlass. Auch im Rahmen des Abkommens mit JP Morgan fließen vier der 13 Milliarden Dollar in einen solchen Fonds. Dafür gibt es eine Reihe von Vorbildern. Der größte Topf, in den fünf US-Großbanken – auch JP Morgan – im Rahmen eines im Februar 2012 geschlossenen Vergleichs einzahlen mussten, hat ein Volumen von 25 Milliarden Dollar. Anfang dieses Jahres hat die US-Notenbank Hilfspakete für Not leidende Hausbesitzer im Umfang von neun Milliarden Dollar vereinbart – hier war ebenfalls neben elf anderen Banken JP Morgan mit dabei.

Das Kapitel, das ganz zu Anfang der Finanzkrise die größte Aufregung ausgelöst hatte, ist hingegen beinahe abgeschlossen. Fast sämtliche 418 Milliarden Dollar, welche die US-Regierung seit Ende 2008 zur Rettung strauchelnder Finanzinstitute aus Steuergeldern zur Verfügung gestellt hatte, sind inzwischen zurückgezahlt. Mit der Rückzahlung wollte sich die US-Finanzbranche schmerzlichen Restriktionen entziehen – etwa der mit den Hilfsgeldern einergehenden Deckelung der Gehälter für die Führungsetagen. Wenn man aber die enormen Schulden gegenrechnet, die der Staat aufnahm, um die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Krise zu dämpfen, mag man aber auch hier von keinem finanziellen Ausgleich für die Steuerzahler sprechen.

Auch deutsche Geldhäuser sind Täter und Geschädigte

Täter
– Die Deutsche Bank musste in den Vereinigten Staaten schon einen Vergleich schließen. 202 Millionen Dollar (150 Millionen) Euro hat das Institut 2012 gezahlt, um ein Verfahren gegen seinen US-Ableger Mortgage IT aus der Welt zu schaffen. Der Vorwurf lautete, dass die dortigen Mitarbeiter die Angaben zu Eigenheimkrediten systematisch geschönt hätten. Damit konnte die Deutsche Bank ihre Rechtsstreitigkeiten in den USA ad acta legen.

Geschädigte
– Aus ganz anderer Perspektive, nämlich als Geschädigte, haben auch andere deutsche Finanzinstitute juristische Vergleiche angestrebt. Am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass JP Morgan insgesamt 4,5 Milliarden Dollar (3,3 Milliarden Euro) an eine Gruppe von Investoren zahlt, die durch den Verkauf wertloser Hypothekenpapiere geschädigt wurden. Dazu gehört auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Weitere Fälle –
Auch andere europäische Finanzinstitute sind in den USA in jüngster Zeit mit der Aufarbeitung der Finanzkrise beschäftigt gewesen. Anfang dieses Monats schloss die britische Bank RBS mit der US-Finanzaufsicht einen Vergleich über 154 Millionen Dollar wegen Manipulationen beim Hypothekenverkauf. Im August hat die Schweizer Bank UBS 50 Millionen Dollar gezahlt, weil sie Kunden zu Hypothekenpapieren falsch beraten hat.