Der Unabhängigkeitskrieg der Griechen begann vor 200 Jahren. Dieses Jubiläum wird mit einer großen Parade in Stuttgart gefeiert. Das griechische Staatsfernsehen schaltet sich live dazu.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Goethe ist einer von ihnen gewesen, ebenso Schiller und Hölderlin. Als Philhellenen verband sie die Bewunderung für das Griechenland der Antike. Befeuert wurde die Schwärmerei deutscher Intellektueller in der Biedermeierzeit durch den Beginn der griechischen Revolution im Jahr 1821, als sich die Hellenen gegen die 400 Jahre währende osmanische Besetzung ihres Kernlandes stellten und für ihre Selbstbestimmung, Freiheit und eine eigene Republik kämpften.

 

Ganz besondere Begeisterung für die griechische Sache zeigte damals Bayern-König Ludwig I., der 1825 per Dekret verfügte, dass sein Königreich Baiern künftig mit dem griechischen Buchstaben Ypsilon zu schreiben sei. Dies dankte ihm das Jahre später unabhängige Griechenland und machte Ludwigs Sohn Otto im Jahr 1832 zu seinem ersten König.

Warum Bayern mit Ypsilon geschrieben wird

Und dennoch finden die wichtigsten Feierlichkeiten anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums der Revolution und zur Erinnerung an den Beginn einer griechisch-deutschen Freundschaft hierzulande nicht in Bayern, sondern in Baden-Württembergs Landeshauptstadt statt. „Das geht auf den damals so betitelten ‚Hülfsverein für Griechenland‘ zurück, der als erster seiner Art gleich zu Beginn der Revolution in Stuttgart gegründet worden war“, sagt Dimitrios Pashalidis. Der Sprecher des Stuttgarter Jubiläumskomitees erwähnt dabei auch, dass in diesem Verein nicht nur Geld für die griechische Sache gesammelt wurde, sondern sich dort auch Freiwillige für den Befreiungskampf gemeldet haben. Dimitrios Pashalidis betont in diesem Zusammenhang aber auch den friedlichen Charakter der Stuttgarter Veranstaltung, die als Doppelpack über die Bühne geht.

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Den Auftakt macht an diesem Freitag im Cannstatter Kursaal ein Vortrag über die deutschen Philhellenen, die jungen Unterstützer der griechischen Sache in Zeiten der Revolution. Neben dem Vortrag des Tübinger Geschichts- und Philosophieprofessors Wilfried Setzler sind ausgestellte Fundstücke aus dem Stuttgarter Stadtarchiv zu sehen, wie Zeitungsartikel, Anzeigen und Plakate, die sich auf die Ereignisse vor 200 Jahren beziehen. Erinnert wird aber auch daran, dass die Griechenland-Schwärmerei oft tödlich endete. Von den 342 Deutschen, die in den fernen Befreiungskampf zogen, fielen 142. Auch der englische Dichter Lord Byron überlebte die Reise zu seinem Sehnsuchtsort nicht. Er starb im Fieberwahn. Der deutsche Arzt und spätere Professor Heinrich Treiber versuchte vergebens, ihn zu retten. Die Rettung der griechischen Befreiungskämpfer war am Ende die Unterstützung der damaligen Großmächte England, Russland und Frankreich, nachdem Ägypten sich zuvor auf die Seite der Türken gestellt hatte.

Das griechische Staatsfernsehen schaltet sich live zu

Der Jubiläumshöhepunkt am Samstag ist eine Parade am Hauptbahnhof. 1600 Teilnehmer von griechischen Schulen und Kulturvereinen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ziehen vom Sammelplatz an der Lautenschlagerstraße vorbei am Hauptbahnhof durch das Europaviertel. Mit dabei auch die Evzonen, Mitglieder der Präsidentengarde, die vor dem Parlament in Athen patrouillieren und bei Staatsbesuchen die Ehrengäste begrüßen.

„Zum ersten Mal treten die Evzonen in Europa außerhalb Griechenlands auf“, sagt Mitorganisator Dimitrios Pashalidis, der in Esslingen eine griechische Tanzgruppe leitet, und betont, dass die 13 Mitglieder der Präsidentengarde in Tracht, aber ohne Waffen dabei sind. Das griechische Staatsfernsehen schaltet sich teilweise live in die beiden Veranstaltungen zu, zu denen neben Ministern aus Athen auch die Berliner Botschafterin und Stuttgarts Konsul erwartet werden. Eingeladen sind auch OB Frank Nopper, Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

„Wir hätten uns gerne vor mehr Stuttgartern ohne irgendwelche Einschränkungen auf dem Schlossplatz präsentiert“, bedauert Dimitrios Pashalidis. Dies sei wegen Corona aber nicht möglich. Deshalb könne die Parade nicht mitten in der Stadt und nur mit Einlassbeschränkung stattfinden. Von den 5000 Zuschauerkarten für Samstag seien praktisch keine mehr zu haben, so der Mitorganisator, der dennoch hofft, dass viele neue Verbindungen entstehen zwischen Deutschen und Griechen, von denen rund 45 000 in der Region Stuttgart leben.