Schnell vergeht die Zeit, doch man sieht’s ihm nicht an: Musicalstar Felix Martin („Der Glöckner von Notre Dame“) hat im Renitenz-Theater in Stuttgart bei einem Abend der großen Gefühle mit Kollegen sein 30-Jahr-Bühnenjubiläum gefeiert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Wenn Kardinal Frollo im Musical „Der Glöckner von Notre Dame“ über seine emotionalen Qualen singt, vom Feuer der Hölle, macht dies Felix Martin in der Erstbesetzung so intensiv, dass die bombastischen Klänge durch Mark und Bein fahren. Auf den Filderhöhen zählt dieses Lied zu den Höhepunkten jeder Vorstellung – doch auch unten im Kessel knallt es rein, um so heftiger, wenn fast das gesamte Auditorium mitsingt. Viele Chorsänger aus Möhringen sitzen an diesem Abend im Publikum. Die Gänsehaut eint Bühne und Saal.

 

„Das Jubiläumskonzert“ – so ist das Programm im Renitenz-Theater überschrieben, mit dem Musicalstar Felix Martin, unterstützt von den wunderbaren „Glöckner“-Kollegen Mercedesz Csampai (Esmeralda), Maximilian Mann (Phoebus) und dem Pianisten Sebastian Gebauer, sein 30-Jähriges auf der Bühne feiert. Genaue Geburts- oder sonstige Jahreszahlen können egal sein, wenn eine gefühlvolle, aber zeitlose Show der Überraschungen und Vielfalt zelebriert wird. Der Wahl-Berliner, der in Hamburg, „einem Vorort von Berlin“ geboren ist, wie er sagt, vernuschelt sehr schön die Endziffern von Zahlen seiner Biografie. Einem berühmten Hauptstädter folgt der Sohn des Schauspielerpaares Poenichen in den von Lackschuhen geformten, sehr großen Fußstapfen: Mitunter erinnert Felix Martin als Entertainer in seiner Lässigkeit und Bestimmtheit an Harald Juhnke, nur dass er anders als die 2005 verstorbene Lichtgestalt der deutschen Unterhaltung richtig gut singen kann.

Felix Martin zeigt private Fotos seiner Karriere

Am Ende also bringt der Bühnenjubilar fast das gesamte Publikum dazu, in den traurig-schönen „Glöckner“-Ohrwurm miteinzustimmen. Abgesprochen war es nicht. Bei „Das Feuer der Hölle“ stehen nach und nach ganze Reihen des Renitenz-Theaters auf. Zahlreich sind die Sängerinnen und Sänger des Orso-Chors zum Sonderkonzert des beliebten Kardinal-Darstellers gekommen. Im Apollo-Theater unterstützen etwa 24 Laien jeden Abend stimmgewaltig das Profi-Ensemble. „Es macht riesigen Spaß“, sagt einer von ihnen, der zwei- oder dreimal die Woche in der Musical-Kathedrale auftritt. Um den Verdienst – 20 Euro gibt’s für eine Vorstellung – gehe es dabei nicht.

Die großen Gefühle überwältigen jeden, besonders Felix Martin vorne am Mikrofon. Tief gerührt ist er von den Fans und freut sich über das Glück, einen Beruf ausüben zu können, der nach drei Jahrzehnten immer noch seine Berufung mit viel Leidenschaft ist. Ergreifend zeigt er auf der Leinwand Fotos seiner Karriere, etwa bei „Les Misérables“ oder „Tanz der Vampire“, aber auch private Aufnahmen mit seiner unvergessenen Dalmatiner-Dame, der einstigen Prinzessin von Kreuzberg, mit seinem Freund und seinen Eltern. Manch eine Zuschauerin oder manch ein Zuschauer verdrückt eine Träne. Der Theatersaal mit vielen Musicalfans wird zum großen Familientreffen. Die Künstler zeigen die Vielfalt ihres Könnens, das sich nicht auf eine Show beschränken lässt. Im Publikum sitzt Daniela Ziegler, die bei „Anastasia“ die Rolle der Zarenmutter übernimmt. Sebastian Weingarten, Intendant des Renitenz-Theaters und auch Teil der Musicalfamilie, überreicht zum Finale Rosen auf der Bühne.

Benefizkonzert am 3. Dezember für das Kinderhospiz

Bestimmt wird diese „Familie“ noch viel größer, wenn am 3. Dezember, 19.30 Uhr, beim Benefizkonzert „Weihnachten in Notre Dame“ im Apollo-Theater sämtliche Einnahmen samt Vorverkaufsgebühren an das Jugend- und Kinderhospiz gehen. Dessen Botschafterin Christina Semrau schwärmt vom Jubiläumskonzert im Renitenz: „Es war unvergesslich schön!“