Probezeit bestanden: Seit einem halben Jahr ist Jürgen Katz Beigeordneter in Weil der Stadt. Was hat er jetzt vor mit dem Städtle?

Weil der Stadt - Probezeit bestanden: Seit einem halben Jahr ist Jürgen Katz Beigeordneter in Weil der Stadt. Dass er bleiben darf, ist natürlich keine Überraschung. Als „bärenstarker Bewerber, der Visionen“ hat, beschrieb ihn sein neuer Chef, Bürgermeister Thilo Schreiber beim Neujahrsempfang. Denn er war der Überraschungskandidat, als Weil der Stadt im Sommer 2018 auf der Suche nach einem Nachfolger für Susanne Widmaier war, die sich als Bürgermeisterin nach Rutesheim verabschiedet hatte: Jürgen Katz, erfolgreicher Chef eines Planungsbüros mit 110 Mitarbeitern. So einer wollte zurück in die zweite Reihe, in eine Stadtverwaltung mit mehr Arbeit und weniger Geld? Ja er wollte. Seit einem halben Jahr ist der 57-Jährige jetzt Beigeordneter, zuständig fürs Bauen und die Ordnung in Weil der Stadt.

 

Herr Katz, im Narrenblättle sind Sie abgebildet und mit der Sprechblase versehen: „Oh je, wenn ich des g’wisst hätt. . .Wie oft haben Sie das schon gedacht?

Nicht oft. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Deshalb bin ich nicht naiv an diese Aufgabe hier herangegangen. Mir war bewusst, dass nicht alles sofort rundläuft.

Sie haben den Schritt vom Geschäftsführer zum Beigeordneten noch nie bereut?

Nein, gar nicht.

Ist es jetzt so, wie Sie sich das vorher vorgestellt hatten? Oder unterscheidet sich die Arbeit einer Stadtverwaltung doch von dem Bild, das sich ein Berater macht?

Im meinem vorigen Job habe ich 16 Jahre lang in Projekten sehr, sehr eng mit Kommunen zusammengearbeitet. Von daher wusste ich, wie eine Kommune funktioniert. Daher ist es jetzt tatsächlich so, wie ich es mir vorgestellt hatte – im Guten wie im Schlechten. Ein wenig überrascht hat mich hier in Weil der Stadt nur, dass in der Stadtverwaltung ein paar Strukturen nicht klar geregelt waren. Die Zuständigkeiten wurden gelebt, waren aber nicht sauber formuliert.

Sie mussten Aufbauarbeit leisten?

Wer ist für was zuständig, und wo sind die Schnittstellen? Das haben wir im ersten Vierteljahr besprochen und geregelt.

Bekannt war, dass im Bauamt einiges im Argen lag. Es war von Mobbing und von vielen Burn-outs die Rede, es gab häufige Mitarbeiterwechsel. Woran lag das eigentlich?

Ich habe wenig Zeit auf Ursachenforschung verwandt. Schuldzuweisungen liegen mir fern. Bei diesen Themen haben wir uns darüber unterhalten, wie es aussehen muss, dass es besser wird. Man muss auch sehen: Im technischen Bereich gibt es einen richtigen Fachkräftemangel. Deshalb bekommen die Mitarbeiter schnell neue Stellen und gehen häufiger. Mittlerweile habe ich aber das Gefühl, dass sich die Truppe hier im Rathaus Merklingen beruhigt.

Wie weit sind Sie von Ihrem Ideal-Zustand des Bauamts noch weg?

Wenn Sie in eine Organisation reingehen, die sich in Unruhe befindet, brauchen Sie ein Jahr, bis sich alle finden. Im Mai bekommen wir zwei neue Bauverständige. Zusätzlich müssen wir noch die Stelle eines Kollegen in der Bauordnung nachbesetzen, der uns verlässt, weil er in seine Heimat zurückzieht. Dann sind wir komplett.

Die große Schulzentrum-Sanierung

Kommen wir zu Ihren Projekten in der Stadt. Sie verwenden öfter die Formulierung, dass Sie hier Fäden wieder aufnehmen wollen. Das heißt, in Weil der Stadt lief vieles schief?

Nein, das nicht. Aber es sind hier zurzeit viele Bälle in der Luft. Da müssen wir die losen Fäden einzelner Projekte zusammenbinden. Ein großes Beispiel ist das Schulzentrum. Im ersten Vierteljahr habe ich begonnen zu sagen: Wir fangen irgendwo an, um ein Gefühl für das Projekt zu bekommen. Daraufhin haben wir innerhalb von sechs Wochen einen Antrag auf Fördergelder für das Gymnasium geschrieben.

Es gab seit 2015 einen Masterplan Schule. Seitdem war klar, die Sanierung kostet 30 Millionen Euro, der Neubau 60 Millionen.

Genau, es gab eine ganze Menge Papier, aber niemand hat es so richtig in die Hand genommen. Jetzt muss es aber endlich um die Frage gehen: Wo fangen wir an? Und jetzt fangen wir damit an.

Das heißt auch, dass der Neubau vom Tisch ist? Denn bei einem solchen würde das Gymnasium ins Tal verlegt werden.

Ja. Ein komplett neues Schulzentrum, in dem alle Schularten auf einem großen Campus zusammengelegt werden, sehe ich nicht. Das übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten. Sie müssen auch sehen: Wenn wir neu bauen, müssten wir während der Bauzeit vier Schulen provisorisch unterbringen. Wir hören auch von den Lehrern der Gemeinschaftsschule, dass sie sich in diesem amerikanisch angehauchten Campus-Charakter mit den einzelnen Gebäuden wohl fühlen – auch wenn man das heute natürlich anders bauen würde.

Wie sieht Ihr Zeitplan bei den Schulen aus?

Wir beginnen jetzt mit der Sanierung des Gymnasiums, weil wir dort relativ weit sind und wissen, was wir wollen. Das meine ich mit „Fäden-zusammenbinden“: Einfach mal beginnen. Wie wir das unten bei den Schulen in der Jahnstraße angehen, kann ich noch nicht sagen. Es kann gut sein, dass wir dort einzelne Gebäude abreißen und neu bauen. Am Ende wird es ein Mittelweg sein. Das Thema wird uns sicherlich noch die kommenden zehn Jahre beschäftigen.

Marktplatz und Bauland

Was die anderen Baustellen in der Stadt betrifft: Haben Sie dafür eine Prioritätenliste?

Ja, ich habe einen Fahrplan. Den Marktplatz müssen wir in den kommenden zwei Jahren angehen. An unserer sozialen Infrastruktur – also den Schulen und Kindergärten – müssen wir kontinuierlich arbeiten. Und an der Baulandentwicklung sind wir auch dran.

Was kommt bei der Baulandentwicklung noch, nach den großen Neubaugebieten Häugern und Schwarzwaldstraße?

Eher kleinere Erweiterungen. Nochmals zusätzliche zehn Hektar Wohngebiet am Stück halte ich für eher schwierig. Wo wir dringenden Bedarf haben, sind Gewerbeflächen. Wir haben in Weil der Stadt viele Betriebe, die erweitern wollen. Um das zu beziffern, machen wir derzeit eine Unternehmensbefragung.

Wo wären neue Gewerbeflächen denkbar?

Was sich anbietet, ist der Ortsausgang von Hausen, in Richtung Heimsheim. In der Kernstadt selbst gibt es nicht viele Optionen, weil entweder die Topografie oder der Naturschutz dagegenspricht. Um die Möglichkeiten zu prüfen, müssen wir unseren Flächennutzungsplan in die Hand nehmen. In diesem Zuge wollen wir unseren Landschaftsplan erneuern und unsere Naturräume und Grünstrukturen definieren.

Wie viele Einwohner wünschen Sie sich zusätzlich für Weil der Stadt?

Ich glaube, dass wir bei etwa 22 000 Einwohnern landen werden. Das halte ich für eine gute Größe, um dauerhaft unsere soziale Infrastruktur auslasten und finanzieren zu können.

Damit würde Weil der Stadt zur Großen Kreisstadt. Ist das aus Ihrer Sicht wichtig?

Weder Herrn Schreiber noch mir geht’s da um Titel. Ich halte es aber für richtig, dass Weil der Stadt diesen Schritt macht. Wir bekämen zusätzliche Aufgaben und Kompetenzen dazu. Wenn Sie knapp unter der Schwelle von 20 000 Einwohnern sind, haben Sie nur die Probleme größerer Städte, aber nicht die Kompetenzen.

Dauerbrenner Altstadt und Flüchtlingspolitik

Dauerbrenner sind der Marktplatz und die Altstadt. Was kann eine Stadtverwaltung dort eigentlich ausrichten?

Die Sanierung des Marktplatzes wird ein wichtiger Schritt sein. Im Augenblick professionalisieren wir auch das Leerstandsmanagement in der Altstadt. Leider verlieren wir Läden, aber wir wollen die Immobilienbesitzer bei der Weiterentwicklung, vor allem der Erdgeschosse, unterstützen.

Viele sagen, dass in der Altstadt nichts los ist.

Ich beobachte, dass sich die Wahrnehmung derzeit ändert. Denken Sie nur an den Strandsommer oder an die Musik-Nacht Anfang April: Da war es für Weil der Städter Verhältnisse ziemlich voll. Wir müssen uns überlegen, wie der Einkauf in der Altstadt noch mehr zu einem Erlebnis wird.

Als Beigeordneter sind Sie auch für die Flüchtlinge zuständig. Im Oktober 2017 hatte der Gemeinderat beschlossen, im Industriegebiet ein neues Flüchtlingsheim zu bauen. Was ist eigentlich daraus geworden?

Wir gehen im Augenblick davon aus, dass wir dieses zusätzliche Gebäude brauchen. Stand jetzt wird das aber etwas kleiner ausfallen, als es damals angedacht wurde. Gerade sind wir dabei zu recherchieren, ob wir dort ein Gebäude errichten, das von der Struktur her eigentlich ein Gewerbebau ist. Langfristig könnten wir das anschließend als Gewerbebau nutzen – im Industriegebiet wäre dies das richtige Gebäude.

Kann dann eine der Containersiedlungen, also im Blannental oder in der Josef-Beyerle-Straße, wegfallen?

Nein, diese Unterkünfte brauchen wir vorerst weiterhin. Wir bekommen ja immer noch jedes Jahr weitere Flüchtlinge zugewiesen. Wir haben aber zusätzlich noch etwa acht Privatwohnungen als Flüchtlingsunterkünfte angemietet. Wir überlegen, ob wir diese Wohnungen aufgeben.

Auch die gemietete Stäbler-Villa in der Hindenburgstraße wollen Sie nicht aufgeben?

Nein, dazu gibt es keine Pläne.

Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat

Wie gut arbeiten Sie mit Ihrem neuen Chef Thilo Schreiber zusammen?

Sehr gut! Wir treffen uns jede Woche zu einem Jour Fix, besprechen uns, stimmen uns ab und überlegen, wer welche Veranstaltungen besucht. Regelmäßig besprechen wir uns mit unseren Amtsleitern und überlegen zum Beispiel: Wie betreiben wir Mitarbeiterentwicklung?

Lernen Sie viel von ihm?

Klar! Ich bin nicht mit der Gemeindeordnung im Kopf auf die Welt gekommen. Gerade, was die praktischen Abläufe angeht, lerne ich jeden Tag von ihm dazu. Mit seiner großen Erfahrung hat er ein sehr gutes Gefühl, wie man die Themen politisch angeht und im Gemeinderat platziert.

Apropos Gemeinderat: Seit Sie im Amt sind, hat der Gemeinderat zweimal schon Bebauungspläne wieder zurückgewiesen, weil noch offene Fragen aufgeworfen wurden. Waren Sie von der Diskussionskultur im Weil der Städter Gemeinderat überrascht?

Nein, überrascht nicht, weil es berechtigte Anliegen waren. Beim B-Plan zur Schwarzwaldstraße ging es um den Zielkonflikt Neubaugebiet und Landwirtschaft. Für die Schwarzwaldstraße brauchen wir einen ökologischen Ausgleich – und dafür war geplant, landwirtschaftliche Flächen in magere Flachlandmähwiesen umzuwandeln. Die Landwirte sagen zu recht: „Erst nehmt ihr uns Flächen für das Neubaugebiet weg, und dann verlieren wir Flächen für den Ausgleich.“ An dem Brett bohren wir immer noch. Mittlerweile beschäftigt sich selbst das Umweltministerium damit. Wir sind gespannt, was da rauskommt.

Ansonsten arbeiten Sie gut mit den Gemeinderäten zusammen?

Ja! Klar gibt s manchmal mehr und manchmal weniger Leben in den Sitzungen. Insgesamt aber habe ich das Gefühl – da bin ich sehr froh –, dass wir immer Sachentscheidungen treffen. Das habe ich während meiner früheren Tätigkeit auch anders erlebt.

In Ihrer Bewerbungsrede haben Sie angekündigt, dass Sie daran arbeiten, dass Bürgermeister Schreiber 2020 nochmals antritt. Arbeiten Sie daran immer noch?

Absolut. Ich halte unser Team, so wie es jetzt ist, für gut. Wir ergänzen uns gut und kommen auch persönlich gut klar. Deshalb habe ich ein großes Interesse, dass wir weiterhin zusammenarbeiten.

Sind Sie immer noch gern Weil der Städter?

Ja! Ich möchte kein anderer Mensch werden, nur weil ich Beigeordneter bin. Auf den Schafhausener Hocketsen verkaufe ich ganz normal Zwiebelkuchen, wie früher auch. Und am 30. April spiele ich wieder mit unserer Band, den „Black Magic Sheep“ im Zelt beim HHC Schafhausen.