Immer am letzten Sonntag im Monat treffen sich Mädchen und junge Frauen beim „Jugend Talk Islam“ im Frauenkulturzentrum Sarah. Zu Gast sind dabei jeweils eine muslimische Referentin und eine nichtmuslimische Referentin. Wir haben vorbeigeschaut.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

S-West - Um die 30 Jahre lang hat Jwanita Al-Khatib-Saleh in einer Art Parallelgesellschaft gelebt. Die Eltern der 38-Jährigen stammen aus Palästina, sie selbst ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ihr Vater hat als Elektriker gearbeitet, die Mutter war Hausfrau. „Bücher gab es bei uns nicht, zu Vorträgen gingen meine Eltern nicht und wir hatten vor allem Kontakt mit anderen muslimischen Familien“, sagt Jwanita Al-Khatib-Saleh.

 

Vor zehn Jahren gründete die Frau dann eine Jugendgruppe in der Moschee in Bad Cannstatt; sie wollte sich engagieren, Vorbilder für die jungen Menschen erschaffen und ein Netzwerk aufbauen. „Ich habe dann gemerkt, dass wir raus aus der Moschee müssen, wenn wir sichtbar werden wollen.“ Sie wurde Mitglied im Integrationsbeirat sowie im Freundeskreis Asyl in Weinstadt (Rems-Murr-Kreis) und wurde über die Frauenaktivistin Kinga von Gyökössy-Rudersdorf aufmerksam auf das Frauenkulturzentrum Sarah im Stuttgarter Westen. Dort rief sie vor einem Jahr den „Jugend Talk Islam“ ins Leben.

Es kommen auch Nichtmusliminnen

„Immer am letzten Sonntag des Monats treffen wir uns hier und beschäftigen uns mit Themen, die Mädchen und junge Frauen betreffen“, erläutert Faduma Khaire (19), deren Eltern aus Somalia stammen. In den vergangenen Monaten ging es etwa darum, welche Rechte Frauen in Deutschland haben, was das Tragen eines Kopftuchs im Bewerbungsprozess bedeutet oder wie man sich gegen Diskriminierung wehren kann.

„Ich überlege mir, welche Themen interessant sein könnten und lade dann immer eine muslimische Referentin und eine nichtmuslimische Referentin zu dem Thema ein“, erläutert die Gründerin Jwanita Al-Khatib-Saleh. Dass es sich beim „Jugend Talk Islam“ um keine muslimische Veranstaltung handelt, darauf legt sie Wert: „Es kommen auch Nichtmusliminnen ohne jeglichen Migrationshintergrund, das freut mich sehr. Es geht darum, dass wir voneinander lernen und miteinander sprechen – und nicht übereinander.“

Keine Woche ohne blöde Sprüche

Auch bei der jüngsten Veranstaltung des „Jugend Talk Islam“ am Sonntag waren die Besucherinnen bunt durchmischt: Viele muslimische Mädchen, die schon ein paar mal da waren, bringen ihre Freundinnen und Klassenkameradinnen mit, die mehr über den Islam erfahren wollen. Außerdem war das Thema für viele interessant; es ging um Selbstverteidigung. Chaimaa Hibaoui (19) und Nora Behluli (33) führten die Frauen in die Grundlagen von Karate ein.

„Karate ist immer nur ein Mittel zur Selbstverteidigung, wir greifen nicht einfach so jemanden an“, sagt Hibaoui. Vor allem die Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, erleben immer wieder unangenehme Situationen in der Öffentlichkeit: „Es vergeht eigentlich keine Woche, in der ich keinen blöden Spruch auf der Straße gesagt bekomme oder körperlich angegriffen werde“, sagt Halima Azzader (33). In der Regel schweige sie dann, gerne würde sie aber auch mal etwas entgegnen.

„Viele verbinden nur Gewalt und Terror mit dem Islam“

„Seitdem der Islamische Staat so viel Macht gewonnen hat und es in Europa zu Anschlägen gekommen ist, verbinden viele Menschen nur noch Gewalt und Terror mit dem Islam“, sagt Halima Azzader. Das sei schade, denn der Islam sei eine sehr friedliche Religion. „Das Tragen eines Kopftuchs provoziert viele Menschen“, meint Kübra Dogan und ergänzt: „Eigentlich ist es merkwürdig. Die Menschen reagieren empört, weil sie denken, wir werden gezwungen, das Kopftuch zu tragen. Doch zugleich zwingt uns die Gesellschaft auch zu etwas – nämlich unser Kopftuch abzulegen.“

Wer jedoch denkt, dass beim „Jugend Talk Islam“ immer nur ernst diskutiert wird, liegt falsch: „Der Spaßfaktor ist uns wichtig, wir lachen sehr viel und sind wie eine große Familie“, sagt Faduma Khaire. Und wenn der „Jugend Islam Talk“ ein wenig dazu beitrage, dass Muslime und Nichtmuslime offener aufeinander zugingen, sei schon eine Menge erreicht.