Von „Boogie Nights“ bis „Still Alice“: Julianne Moore gehört zu den wandelbarsten Schauspielerinnen von Hollywood. Die unverkennbare roten Mähne trägt die Oscar-Preisträgerin mit 60 zur Schau - und tritt als Feministin vor die Kamera.

Los Angeles - Lange rote Haare, blasse Haut, hohe Wangenknochen: An diesen äußeren Markenzeichen ist Julianne Moore leicht zu erkennen – auch mit 60 Jahren, auf dem Cover der jüngsten Herbst-Ausgabe des Magazin „DuJour“. Hollywoods Verwandlungskünstlerin, mit einem Emmy, Oscar und Golden Globes in ihrer Trophäensammlung, feiert am Donnerstag (3. Dezember) das runde Jubiläum.

 

Coronabedingt dürfte dies keine größere Feier werden. Mit Beginn der Pandemie sei sie mit ihrem Mann, dem Regisseur Bart Freundlich, und Tochter Liv aus Manhattan in ihr Landhaus auf Long Island gezogen, erzählt Moore im „DuJour“-Interview: „Mein Mann kocht, ich mache sauber“, dazu Online-Yoga, Spaziergänge, Puzzles und Lesen als Zeitvertreib.

Noch vor der Corona-Krise entstand ihr jüngster Film „The Glorias“ über das Leben der Journalistin und Frauenrechts-Ikone Gloria Steinem. Vier Schauspielerinnen stellen Steinem in unterschiedlichen Etappen ihres Lebens dar, darunter Alicia Vikander und Moore. Sie sei völlig „eingeschüchtert“ gewesen, der heute 86-jährigen Feministin zu begegnen. „Sie ist so eine großartige und beeindruckende Frau und der Inbegriff einer Aktivistin“, schwärmt Moore.

Die Schauspielerin engagiert sich für Diversity und gegen Waffengewalt

Der Hollywood-Star hat selbst längst den Ruf als liberale Kämpferin weg. Sie engagiert sich im Kampf gegen Waffengewalt, setzt sich für LGBT-Rechte ein und gesellte sich lautstark zur Promi-Riege der Gegner von Donald Trump. So vertonte sie unter anderem eine kritische Doku über den US-Präsidenten.

Steinem darzustellen habe sie als Schauspielerin sehr herausgefordert, sagt Moore, denn das Auftreten und die Stimme der Aktivistin seien sehr subtil und nuanciert. Doch genau das ist Moores große Stärke auf der Leinwand, die ihr in „Still Alice – Mein Leben ohne Gestern“ (2015) im fünften Anlauf den ersten Oscar einbrachte. Als eine Linguistik-Professorin, die an Alzheimer erkrankt, ist ihre Darstellung gleichzeitig feinfühlig und doch schonungslos. Mit emotionaler Wucht und extrem berührend spielt sie die kranke Alice, die sich immer mehr verliert.

Moores Bandbreite vor der Kamera ist legendär. Ihre erste Oscar-Chance hatte sie als Pornodarstellerin in Paul Thomas Andersons „Boogie Nights“ (1997), gefolgt von Nominierungen für die Graham-Greene-Verfilmung „Das Ende einer Affäre“, „Dem Himmel so fern“ und die Romanverfilmung „The Hours“, mit Moore als lebensmüder Frau in den 1950er Jahren. 

Porno, Horror, Charakterrollen: Julianne Moore kann alles

In dem Horrordrama „Hannibal“ mit Anthony Hopkins als Serienmörder wird sie zur FBI-Agentin Starling, unter der Regie von Alfonso Cuarón drehte Moore den Endzeitzeitthriller „Children of Men“. In der Romanverfilmung „A Single Man“ mit Colin Firth als homosexueller Literaturprofessor, der seinen Selbstmord plant, wird sie zur Alkoholikerin.

Zweimal spielte sie eine lesbische Partnerin, mit Annette Bening in der Familienkomödie „The Kids Are All Right“, mit Ellen Page in dem Drama „Freeheld – Jede Liebe ist gleich“. In dem TV-Film „Game Change“ wird sie zur umstrittenen US-Politikerin Sarah Palin, in dem Fantasy-Blockbuster „Tribute von Panem“ zur Präsidentin Alma Coin. Und es geht auch lustig – in der Beziehungskomödie „Maggie’s Plan“ als egozentrische Ex-Ehefrau oder mit Komiker Steve Carell in „Crazy Stupid Love“.

2016 begeisterte Moore in Hamburg bei der Verleihung der Goldenen Kamera mit einem ganz anderen Talent. Die Oscar-Preisträgerin bedankte sich für den Preis als „Beste Schauspielerin International“ in gebrochenem Deutsch und erzählte von ihrer Zeit als Teenager in Frankfurt am Main. Ihr Vater war Militärrichter, und sie wuchs auf Stützpunkten in den USA, Panama und Deutschland auf. Ihren High-School-Abschluss machte sie 1979 an der American High School in Frankfurt. Sie erinnert sich gerne an den Karneval und an ihre Theatergruppe.

Über Seifenopern und Miniserien gelang der Beginn der Kinokarriere

Zurück in den USA studierte sie Schauspiel in Boston, dann ging es an Theaterbühnen in New York. Nach Fernsehrollen in Seifenopern und Mini-Serien schaffte sie den Sprung auf die Leinwand. 2003 heiratete Moore nach ihrer ersten kinderlosen Ehe mit dem Schauspieler John Gould Rubin ihren langjährigen Freund Bart Freundlich. Sie hatten sich in den 90er Jahren bei den Dreharbeiten zu dem Independent-Streifen „Das Familiengeheimnis“ kennengelernt, bei dem Freundlich Regie führte. Zur Familie gehören Sohn Caleb (22) und Tochter Liv (18).

Für ihren Mann trat Moore zusammen mit Michelle Williams im vorigen Jahr vor die Kamera. Das Familiendrama „After the Wedding“ war ein Remake des dänischen Films „Nach der Hochzeit“. Freundlich hält auf seine Frau offenbar große Stücke. Als Moore nach Empfang des Oscars für „Still Alice“ Backstage vor die Presse trat, dankte sie ausdrücklich ihrem Mann. Er habe vor langer Zeit als erster den Film im Rohschnitt gesehen und dabei geweint. Schon damals habe er prophezeit, sie werde dafür einen Oscar gewinnen, sagte Moore.