Nach und nach starten in diesen Tagen die Clubs mit der Vorbereitung auf die Bundesligasaison. Mit dabei: viele junge Trainer, die selbst nie in der ersten Liga gespielt haben. So wie Hoffenheims Julian Nagelsmann und Hannes Wolf in Stuttgart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

St. Petersburg - Eine Falschmeldung hält sich hartnäckig in der aktuellen deutschen Fußball-Berichterstattung. Jene, wonach Julian Nagelsmann der jüngste Bundesliga-Trainer aller Zeiten ist. Im Februar 2016 startete Nagelsmann mit 28 Jahren in das Hoffenheimer Abenteuer, das sich mittlerweile zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt hat. So gut lief es für Bernd Stöber 1976 nicht. Nach nur einem Spiel auf der Bank des 1. FC Saarbrücken – dem 1:5 gegen den 1. FC Köln – war auch gleich wieder Schluss für ihn. Dafür ist er mit damals 24 Jahren bis heute der jüngste verantwortliche Bundesligatrainer. Von seinen Anfängen kann Stöber als mittlerweile 64-Jähriger dem Nachwuchs in der Trainerausbildung des Deutschen Fußball-Bunds erzählen, wo er als Dozent tätig ist.

 

An der Hennes-Weisweiler-Akademie im nordrhein-westfälischen Hennef schloss auch Julian Nagelsmann seine Ausbildung zum Fußballlehrer ab, in einem Jahrgang mit Bremens Trainer Alexander Nouri (37) und Domenico Tedesco (31), dem neuen Coach von Schalke 04. Gemeinsam mit dem Stuttgarter Hannes Wolf (36) stehen sie für einen klaren Trend in der Bundesliga: hin zum jungen Trainer, der nicht mehr selbst Profifußballer gewesen sein muss.

Dieser Paradigmenwechsel im Trainergeschäft wird in Stuttgart besonders deutlich. War man doch beim VfB vor einem Jahr noch der felsenfesten Überzeugung, die besten Chancen auf den direkten Wiederaufstieg mit dem in dieser Beziehung besonders erfahrenen Jos Luhukay zu haben. Nach nur vier Spielen schwenkte der Club allerdings komplett in die andere Richtung um und ging das Projekt Aufstieg mit dem bisherigen Dortmunder Jugendtrainer Hannes Wolf an – mit Erfolg und mit so etwas wie dem Gegenentwurf zu seinem niederländischen Vorgänger.

Luhukay hatte in erster Linie den kurzfristigen Erfolg im Auge, den er mit der Verpflichtung erfahrener Spieler erreichen wollte. Die Transferpolitik von Hannes Wolf und die des kurz zuvor verpflichteten Sportvorstands Jan Schindelmeiser ist perspektivischer angelegt. Und genau das macht Trainer, die aus dem Jugendbereich kommen, für die Clubs so interessant. Sind die es doch gewohnt, ihre Arbeit auf mehrere Jahre auszurichten, was dann dem Club dauerhaften Erfolg verspricht.

Allein die nachhaltigere Herangehensweise macht den Jungtrainer aber noch lange nicht zum Erfolgsmodell in der Bundesliga. Dass er und seine Kollegen aus dem Juniorenbereich im Spitzenfußball so schnell Fuß fassen, führt Hannes Wolf vor allem auf die verpflichtende Einführung der Nachwuchsleitungszentren bei den Bundesligisten zurück. „Hier können sich nicht nur die Jugendlichen unter hochprofessionellen Bedingungen entwickeln, sondern auch ihre Trainer“, sagt er. So ist der Jugendbereich der deutschen Profivereine nicht mehr allein eine Talentschmiede für Spieler, sondern auch für Trainer. Die Clubs bedienen sich gerne aus diesem Reservoir, nach dem der Sprung in die Bundesliga unter den neuen Voraussetzungen nicht mehr so groß ist wie früher.

Entsprechend sieht auch die Personalpolitik in Bremen aus. Beim SV Werder wurde zunächst Viktor Skripnik nach oben befördert und zuletzt Alexander Nouri, der nicht wie sein Vorgänger Bundesligaspieler war, dafür aber eine modernere Fußballidee hat.

„Die Clubbosse und Manager haben ein neues Profil für diesen Job geschaffen“, sagt Frank Wormuth, Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung beim DFB. „Die Verantwortlichen schauen mittlerweile primär auf die Kompetenzen als Trainer. Es ist aber nach wie vor kein Nachteil, wenn man in der Bundesliga gespielt hat.“ Gleichzeitig erinnert Wormuth aber auch daran, dass Julian Nagelsmann bereits eine zehnjährige Erfahrung als Trainer hat und somit deutlich mehr als beispielsweise der Darmstädter Coach und Ex-Nationalspieler Torsten Frings.

Der Ausgangspunkt dieser kleinen deutschen Fußball-Revolution liegt in Mainz, wo im Jahr 2009 der FSV in Person des damaligen Managers Christian Heidel den Mut und die Überzeugung aufgebracht hat, den U-19-Trainer Thomas Tuchel zum Chefcoach zu machen. „Ein Glück für alle Nachwuchstrainer, dass es funktioniert hat“, sagt Frank Wormuth und meint: „Mit einem bekannten Namen ging man als Manager ein geringeres Risiko ein, selbst verantwortlich gemacht zu werden, wenn es schief ging. Als das aber in Mainz klappte, wollten plötzlich ganz viele ihren eigenen Tuchel haben.“

Christian Heidel, der Trendsetter in Sachen Nachwuchstrainer, bleibt seiner Linie auch als Schalker Sportvorstand treu, indem er jetzt den 31-jährigen Domenico Tedesco zum Traditionsclub geholt hat. Der Italo-Schwabe aus Aichwald empfahl sich zunächst als innovativer und erfolgreicher Jugendtrainer in Stuttgart und Hoffenheim für eine höhere Aufgabe. Die wurde ihm dann vom Zweitligisten Erzgebirge Aue gestellt, den Tedesco in drei Monaten aus aussichtslos erscheinender Position ans rettende Zweitliga-Ufer führte. Jetzt also Schalke. Unter den chronisch aufgeregten und hochemotionalen Bedingungen sind hier die Trainer zuletzt in regelmäßig kurzen Abständen vor die Tür gesetzt worden. Domenico Tedesco übernimmt den Job von Markus Weinzierl, der sich wie sein Vorgänger André Breitenreiter gerade einmal eine Saison im Amt gehalten hat. „Wenn es schiefgeht, wird der Aufschrei der Kritiker groß sein und es heißen: wie konnte man nur einen so jungen Trainer holen?“, sagt Christian Heidel, der sich nach eingehender Risikoabwägung trotzdem für Tedesco entschied. Heidel hat sich in dieser Beziehung eine gewisse Widerstandsfähigkeit angeeignet, nachdem er in Mainz gegen anfängliche Widerstände nacheinander Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und zuletzt Martin Schmidt den Trainerjob übertrug. Schmidts Nachfolger in Mainz heißt übrigens Sandro Schwarz, der zuvor die U 23 der 05er trainiert hat.

Die Erstliga-Entwicklung hin zum Trainer aus dem Nachwuchsbereich hat sicher auch etwas mit den Managern der Clubs zu tun, die selbst auch immer seltener eine schillernde Erstligakarriere vorzuweisen haben. In Mainz folgte auf den ursprünglich fachfremden Christian Heidel, der einst ein Autohaus betrieben hat, der frühere Zweitliga-Spieler Rouven Schröder. Als Fußballer reichte es auch für Hoffenheims Direktor Alexander Rosen genauso wenig ganz nach oben wie für den VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeister. Diesen Chefs ist es auch aufgrund ihrer eigenen Vita ziemlich egal, ob ihr Trainer einst in der Nationalmannschaft oder in der Kreisliga gekickt hat.

Dass der mutige Weg mit einem unverbrauchten Trainer aber auch in der Sackgasse enden kann, hat man beim VfB Stuttgart schon gesehen. Das Engagement von Alexander Zorniger entpuppte sich als großes Missverständnis. Einst Jahrgangsbester der DFB-Trainerakademie arbeitet Zorniger mittlerweile in Dänemark bei Bröndby Kopenhagen. Chefausbilder Frank Wormuth weiß: „Für die, die einmal ausgerutscht sind, wird es immer schwieriger, wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Schließlich kommen ger