Lebenslang wird eine junge Frau unter den Verbrennungen leiden, die sie sich beim Eppinger Nachtumzug 2018 zugezogen hat. Jetzt erhält sie zumindest Schmerzensgeld. Abgeschlossen ist der Fall damit noch nicht.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Heilbronn - Fast zwei Jahre nach dem schrecklichen Zwischenfall mit einem heißen Hexenkessel beim Nachtumzug in Eppingen (Kreis Heilbronn) erhält das damalige Opfer eine Entschädigung. In einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom November spricht die 6. Zivilkammer des Heilbronner Landgerichts der mittlerweile 20-jährigen Frau ein Schmerzensgeld von insgesamt 50 000 Euro zu.

 

Im Dezember 2018 war ein heute 34-jähriger Mann aus dem Kraichtaler Ortsteil Bahnbrücken (Kreis Karlsruhe) vom Heilbronner Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er soll als Hexe verkleidet die junge Frau aus Spaß über den dampfenden Kessel seiner Hexengruppe gehalten haben. Dabei war sie abgerutscht und hatte sich schwere Verbrennungen an den Beinen zugezogen. Obwohl das Urteil auch ein Jahr später noch nicht rechtskräftig ist, sieht ihn auch das Zivilgericht in der Verantwortung. Zudem wird der Verkehrsverein der Stadt Eppingen belangt. Der Veranstalter habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, so die Richter. Der Verein hätte heiße Wasserkessel, die mit offenem Feuer beheizt werden, verbieten und die Umzugswagen vor Beginn genauer kontrollieren müssen.

Die Stadt will zahlen

„Wir akzeptieren das Urteil“, erklärte der Sprecher der Stadt Eppingen, Sönke Brenner. Weil der Verkehrsverein und das Hexenmitglied gesamtschuldnerisch haften, kann die junge Frau die komplette Summe nun bei der Versicherung der Stadt eintreiben. Anschließend kann die Versicherung mit dem 34-Jährigen über eine Aufteilung der Kosten verhandeln – vorausgesetzt das Zivilurteil gegen ihn wird vom Oberlandesgericht bestätigt. Sein Rechtsanwalt Manfred Zipper hat nämlich bereits Berufung eingelegt. Auch das Urteil des Strafgerichts ficht er an. Die Berufungsverhandlung am Landgericht ist wegen Überlastung aber immer noch nicht terminiert.

„Ich halte eine Zurechnung der Verletzungen der Geschädigten zu einem Verhalten meines Mandanten für falsch“, sagte Zipper. Im Strafprozess hatte der 34-Jährige stets seine Unschuld beteuert. „Die Justiz hat bisher kein Interesse gezeigt, den Fall wirklich aufzuklären“, kritisierte der Rechtsanwalt.

Und was ist mit den anderen?

Die Zivilkammer ließ in ihrem Urteil „ausdrücklich offen“, ob der 34-Jährige tatsächlich selbst die junge Frau über das kochende Wasser gehalten habe. Für eine Verurteilung reiche schon aus, dass der Mann den gefährlichen Kessel nicht „zuverlässig und verbindlich gegen unbefugtes Herantreten“ gesichert habe. Dies, so räumte die Kammer ein, gelte aber auch für jedes andere Mitglied der Bahnbrücker Hexengruppe. Sie standen aber nicht vor Gericht. Hier sieht Zipper das Problem: „Die Justiz hat sich einen angeblich Schuldigen herausgepickt und führt ihn am Nasenring durch die Manege der Instanzgerichte.“ (Az.: Hu 6 O 402/18 und Hu 6 O 389/19)