7000 junge Menschen engagieren sich in Stuttgart ehrenamtlich. Zwei von ihnen sind Jonathan Befort und Jethro Amaru. Die beiden erzählen, was ihnen so viel Spaß bei dem Einsatz macht.

Stuttgart - In einem Ehrenamt engagieren sich in Stuttgart 130 000 Personen. Darunter 7000 junge Frauen und Männer, die in den 60 Jugendvereinen, Verbänden, Initiativen und Gruppen unter dem Dach des Stadtjugendringes Verantwortung übernehmen. Zehn davon werden seit 2001 jährlich für eine besondere Ehrung ausgewählt. Einer davon ist in diesem Jahr Jonathan Befort. „Ich habe mich riesig gefreut“, sagt der 22-jährige ehrenamtliche Vorstand im Alex-Club. Und was ist der Alex Club?

 

„Der Freizeitclub des Körperbehindertenvereins“, klärt Jonathan auf. Denn Jonathan hat ein körperliches Handicap, nachdem er bei der Geburt unter Sauerstoffmangel litt und linksseitig gelähmt auf die Welt kam. Er hat die Körperbehindertenschule absolviert, eine Ausbildung als Holzfachpraktiker gemach („Das ist der Helferberuf in der Schreinerei.)“ und dann erst mal keinen Betrieb gefunden, der ihm die Arbeit zugetraut hätte. Jetzt ist er glücklich mit seinem Job beim Garten- und Landschaftsbau der Neuen Arbeit: „Ich darf an alle Maschinen. Sogar an die Kettensäge!“ Und in der Freizeit dreht sich alles um den Alex-Club, in dem 100 von den 285 Mitgliedern im Stuttgarter Körperbehindertenverein (KBV) ihr eigenes Programm gestalten. „Meine Mutter hat mich dort am 1. November 2012 angemeldet“, weiß er noch ganz präzise.

Freude an Win-win-Situation

Eine gute Entscheidung der Mama. Es ist eine Win-win-Situation für beide, für Jonathan und den Club. „Wir treffen uns am Wochenende, besuchen zum Beispiel das Porsche- oder Daimler-Museum, grillen im Sommer oder gehen zum Essen.“ Langeweile und Leerlauf kennt er nicht mehr, er genießt diese Bereicherung seines Lebens und die Anerkennung, denn er wurde in den Vorstand des Clubs gewählt und setzt sich intensiv für die Belange und Interessen der Menschen mit Behinderung ein. „Zusammen schmeckt’s besser, gemeinsam barrierefrei kochen“, heißt das Kochbuch, an dem er mitgearbeitet hat und das als wunderbares Beispiel gelebter Inklusion gewürdigt wird. Denn für Kürbissuppe, Pizzaschnecken und Lasagne standen die „Hähnchen“, die Gruppe der 14- bis 18-Jährigen im Alex-Club, gemeinsam mit Besuchern des Familien- und Begegnungszentrums Raitelsberg am Herd. Doch der Radius des Clubs geht über Landesgrenzen hinaus bis nach Kuterevo in Kroatien: „Da arbeiten wir im Sommer mit anderen Scouts aus aller Welt als Volunteers in einem Bärenrefugium.“ Und ganz nebenbei rückt er damit raus, dass er bei der Evangelischen Jugend in Weilimdorf auch noch das Kinderturnen leitet.

„Die Bandbreite der Vereine und Verbände reicht von den Jungen Humanisten über die somalische Jugend bis zur Alpenvereinsjugend“, so Jörg Sander vom Stadtjugendring. Sie repräsentieren die ethnische Vielfalt in der Stadt, wie die anderen Geehrten Erdem Ugur (Alevitische Gemeinde), Anja Zotlar (Skud Triglav), Adna Jusic (Mladost), Enes Tuna (KSI), Aleksander Vukojevic (SKSK Sloga), Christina Pashalido (Pontiaki Estia) neben Felix Uecker (BFFL15) und Stefan Huber (Katholische Jugend) erkennen lassen.

Vorbild für Homosexuelle

Oder auch Jethro Amaru Escobar Ventura von der Initiativgruppe Homosexualität in Stuttgart (IHS), die knapp 100 Mitglieder hat. Jethro gehört seit drei Jahren zum Leitungsteam der Königskinder, wie sich die Jugendgruppe der 14- bis 27-Jährigen selbstbewusst nennt. „Er ist ein Vorbild für schwule Jugendliche“, rühmte ihn Isabel Fezer bei der Ehrung in der Kulturkneipe Schlampazius. Weil der 22-jährige Stuttgarter auch öffentlich über seine Lebenssituation und das Coming out spreche und damit Anderen Mut mache.

„Eigentlich habe ich mich nicht explizit geoutet, aber auch nicht versteckt“, erzählt er. Erst mal habe er sich selbst über seine sexuelle Orientierung klar werden müssen, dann habe er mit seiner Mutter geredet: „Da war ich 17.“ Und? „Das war kein Problem“, die Familie akzeptierte liebevoll. Aber in der Schule habe er Aggression bis zur Gewalttätigkeit erlebt. Und blöde Diskriminierung teilweise im Gymnasium, „bis sich die tolle Klassenlehrerin die Klasse mal zur Brust genommen hat“. Dann war Ruhe. Und seit der Christopher-Street-Day und die Homo-Ehen das Bewusstsein verändert haben, sei die Situation deutlich entschärft. Was nicht heißt, dass Schwulsein generell keine Probleme mehr mache: in der Familie, in der Schule, im Beruf, in der Gesellschaft. Jethro kümmert sich um Neuankömmlinge, vermittelt an Beratungsstellen, hilft und begleitet Newcomer, spielt Theater und klärt über Homosexualität in Schulen auf, „die nehmen das Angebot dankbar an“. Warum er das alles macht? Das wird schon durch seine berufliche Orientierung erklärt: Soziales sei ihm ebenso wichtig gewesen wie Kunst. Mit dem Studium der Kunsttherapie bringt er beides unter den Hut.