Die Titelfigur trägt Bart und der Wolf ein glitzerndes Cape: Aus Georges Aperghis’ Musiktheater „Rotkäppchen“ macht die Junge Oper im Nord eine lockere Performance.

Stuttgart - Das Märchen vom „Rotkäppchen“ kennt wohl jedes Kind. „Großmutter, warum hast du so große Zähne?“, fragt es seine (vermeintliche) Oma, nachdem es sich zum Wolf ins Bett gelegt hat. Was folgt ist bekannt, doch geht es ja am Ende gut aus – allerdings nur in der Fassung der Gebrüder Grimm. Da wird dem Wolf der Bauch aufgeschitten, aus dem dann Kind nebst Omi wieder putzmunter herauskrabbeln. In der Urfassung des Märchens von Charles Perrault freilich bleiben beide verspeist, denn bei Perrault sollte die Geschichte zur Abschreckung dienen, als Erziehungsmärchen: wer die Weisungen seiner Eltern missachtet, so seine Moral von der Geschichte, kann leicht einem Bösewicht zum Opfer fallen.

 

Diese Urfassung hat auch der Komponist Georges Aperghis für seine Musiktheaterversion von „Rotkäppchen“ verwendet, die nun in der Jungen Oper im Nord (Join) Premiere hatte. Sechs Musiker (Olga Wien und Markus Hein am Klavier, Andrea Nagy und Adam Ambarzumjan an der Klarinette, Mark Lorenz Kysela am Saxofon sowie Lisa Kuhnert, Violine) sind daran beteiligt, die allesamt auch szenische Aufgaben haben und diese Doppelfunktion bewundernswert souverän ausfüllen. Denn allein die Musik des Griechen Aperghis, der stark von musikalischen Querdenkern wie John Cage und Mauricio Kagel beeinflusst wurde, ist alles andere als simpel. Tonale Strukturen, Kindermusik gar sucht man hier vergebens, dafür hört man das gängige atonale Klangvokabular neuer Musik einschließlich erweiterter Spieltechniken – die hier freilich unterhaltsam eingesetzt werden, wenn sich etwa zwei Bassklarinetten zuprusten. Was die dramaturgischen Mittel betrifft (Regie: Elena Tzavara und Guillaume Hulot), so könnte man das Stück als Vorbereitungskurs für Kinder zur Rezeption performativer zeitgenössischer Theaterformen sehen.

Die Akteure tauschen Rollen

Die Geschichte wird nicht linear erzählt, vielmehr werden Bausteine des Perraultschen Textes mehrfach in verschiedenen Konstellationen wiederholt, wobei die Akteure immer wieder die Rollen tauschen. Die Grenzen zwischen Musizieren und Bühnenaktion sind dabei weitgehend aufgelöst, und dieser nichtillusionistischen Grundhaltung entsprechen auch die Kostüme: Ein bärtiger Brillenträger wird da zum Rotkäppchen, indem er sich ein rotes Tuch über den Kopf wickelt. Der Wolf trägt ein silbern glitzerndes Cape wie aus einer Fernsehshow; das soll wohl Verführung symbolisieren.

Das ist alles gut durchdacht und konsequent umgesetzt. Was dem Stück aber schmerzlich fehlt und was Kinderstücke (ab sechs Jahren soll dieses geeignet sein) dann doch haben sollten, sind Spannung und Witz.

Zwar gibt es ein paar halbwegs lustige Szenen, an denen dann auch dankbar gelacht wird. Insgesamt aber überwiegt der Eindruck, dass sich hier Erwachsene etwas ausgedacht haben, was Kindern gefälligst gefallen soll. Vielleicht hätte man die vorher fragen sollen.

Vorstellungen bis zum 28. Mai