Früher belächelt, gilt der englische Jugendfußball mittlerweile europaweit als führend. Was sind die Gründe für den internationalen Erfolg der Jugendmannschaften?

Sindelfingen - Ganz in Rot betreten die Nachwuchsfußballer des FC Liverpool am Freitagnachmittag im Sindelfinger Glaspalast fußballerisches Neuland. „Mit Hallenfußball haben wir gar keine Erfahrung, wir sind gespannt und aufgeregt“, sagt Trainer Burry Lewtas. Die U-19 Mannschaft des aktuellen Tabellenführers der englischen Premiere League ist kurz davor in Stuttgart gelandet. Nach einem Stopp im Hotel nutzen die jungen Kicker jetzt das ungewohnte Terrain für eine letzte Trainingseinheit.

 

Hallenfußball spielt man in England nicht

Es ist ihr erster Auftritt beim traditionsreichen Juniorcup überhaupt. In ihrer Gruppe treffen sie an diesem Samstag auf die ebenfalls unerfahrenen US-Boys von Atlanta United, den VfB Stuttgart und Schalke 04. „Wir sind hier um zu lernen, und das etwas andere Spiel in der Halle wird uns auch sonst weiterbringen“, sagt Lewtas. Die Spieler sollen die kurze Zeit nutzen, um ein Gespür für den Untergrund und die Ausmaße des Platzes zu bekommen. „Es wird nicht leicht werden, die Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden“, sagt der Coach.

Ganz anders präsentiert sich sein Team unter freiem Himmel. In der nationalen Jugendliga beispielsweise, wo Liverpool ganz knapp hinter dem Stadtrivalen Everton auf Platz zwei liegt. Und in der Uefa Youth League stehen sie an der Spitze und haben zuletzt den Nachwuchs des SSC Neapel mit 5:1 gedemütigt. Überhaupt die Engländer. Lange machte die Nationalmannschaft vor allem durch ständige Trainerwechsel und frühes Ausscheiden bei großen Events Schlagzeilen. Das ist Vergangenheit.

Seit 2012 überarbeitetes Jugendkonzept

2012 weihte der englische Fußballverband (FA) nicht nur das St. George’s Park National Football Centre als neues Kraftzentrum der englischen Nationalteams ein, sondern legte auch einen „Elite Player Performance Plan“ (EPPP) auf, der nach deutschem Vorbild eine Professionalisierung des Jugendfußball beinhaltete. „Es wurde ein stärkerer Fokus auf Technik, Physis und Intensität gelegt“, sagt Lewtas. Zudem wurden Regionalverbände und Klubs gefördert, um beispielsweise nach einem Bonussystem die Jugendarbeit durch alle Altersklassen (U9 bis U21) zu verbessern. Und jetzt ist England so stark wie seit Jahren nicht. Beispiele? Die U17 und die U20 wurden 2017 Weltmeister, und die U19 gewann die Europameisterschaft.

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Von einem Titel träumen sie auch in Liverpool, der trotz der Niederlage am Donnerstag gegen ManCity greifbar scheint. „Das wäre unglaublich für unsere Jungs, auch wenn sie dann in große Fußstapfen treten“, sagt Burry Lewtas. Der stimmt auch gleich ein Loblied auf Jürgen Klopp an, der nicht nur seinen Powerfußball auf die Jugendmannschaften übertragen hat, sondern den Talenten in dieser verrückten Transfer-Welt eine Chance gibt. „Bevor wir einen Spieler verpflichten, der nicht viel besser ist als einer den wir haben, setzen wir auf unsere eigenen Jungs“, sagte Klopp dem englischen „Mirror.“ Im vergangenen Jahr verlängerten die Reds die Verträge mit Trent Alexander-Arnold (18) und Kevin Stewart (23) bis 2021.

Nicht überall kommen die Talente zum Zug

Ansonsten ist die Situation englischer Talente kompliziert. Zu den hoffnungsvollsten Talenten überhaupt zählt derzeit Phil Foden von Manchester City. Allerdings kommt er kaum zum Einsatz. Zu hoch ist der Erfolgsdruck bei dem Klub, der nicht auf Spieler aus eigener Produktion angewiesen ist. Deshalb werden die Hochveranlagten an Clubs im Ausland ausgeliehen – auch in die Bundesliga wie die Beispiele von Reiss Nelson vom FC Arsenal, der in Hoffenheim kickt, und Jadon Sancho (Manchester City), der in Dortmund Spielpraxis sammelt, zeigen.

„Wir sind froh, dass Klopp einen anderen Weg geht, das ist auch inspirierend für die Jungs die in Sindelfingen spielen“, sagt Barry Lewtas. Der FC Liverpool ist mit zwölf Spielern angereist – zwei sind Jahrgang 2002, einer 2000 und der Rest des Teams wurde 2001 geboren. Auch beim Juniorcup setzt mal auf die Jüngsten – darunter ist auch der englische Nationalspieler Elijah Dixon Bonner. Es könnte für Burry Lewtas alles noch besser werden bei den Reds, wenn das neue Trainingsgelände für rund 58 Millionen Euro fertiggestellt ist. Dann sollen und können die Profis und der Nachwuchs gemeinsam am gleichen Ort trainieren.