Die Denkmalschutzbehörden haben entschieden, dass die Mehrzweckhalle der Justizvollzugsanstalt in Stammheim abgerissen werden darf. Der Platz wird dringend für ein neues Gefängniskrankenhaus gebraucht, da das Hospital auf dem Hohenasperg überaltert und marode ist.

Wo einst Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und andere Terroristen der RAF vor voll besetzten Reihen vor Gericht saßen, herrscht seit drei Jahren gähnende Leere: Der Saal des Mehrzweckgebäudes der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stammheim wird seit Sommer 2019 nicht mehr genutzt. Nun ist entschieden, dass das Gebäude abgerissen werden soll, um Platz für ein Gefängniskrankenhaus zu machen. Das bisherige Justizvollzugskrankenhaus auf dem Hohenasperg ist deutlich in die Jahre gekommen, zu klein und unzureichend ausgestattet.

 

Seit 2013 unter Denkmalschutz

Bis zuletzt war nicht klar, was aus der Mehrzweckhalle werden soll. Im Jahr 2013 war sie (zusammen mit dem Hochhaus, das wegen überfüllter Gefängnisse noch einige Zeit betrieben werden muss) unter Denkmalschutz gestellt worden, seitdem schwelte ein Streit zwischen verschiedenen Behörden. Als einstiger Verhandlungssaal bei den RAF-Prozessen habe die Halle eine große zeitgeschichtliche Bedeutung. Sie stehe für die wehrhafte Demokratie und sei ein Ort, an dem sich der Rechtsstaat gegen Terrorismus und Extremismus gewehrt habe – so die Argumentation der Denkmalschützer aus Reihen der Stadt (untere Denkmalschutzbehörde) und dem Regierungspräsidium (obere Denkmalschutzbehörde). Die andere Seite, vor allem vertreten durch das baden-württembergische Finanzministerium und das Justizministerium, verwies darauf, dass dringend ein neues Vollzugskrankenhaus gebraucht werde und Stammheim dafür am besten geeignet sei.

Nun haben die Denkmalschutzbehörden einem Antrag von „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ stattgegeben und so den Weg für den Abriss frei gemacht. Das Amt sitzt in Ludwigsburg und ist zuständig für die Landkreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis und für den Stadtbezirk Stuttgart-Stammheim. Begründet wird die Entscheidung damit, dass die JVA das marode und mit Schadstoffen belastete Gebäude nicht mehr nutzen könne – außer, es werde gründlich saniert und umgebaut, was wiederum mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar wäre. Auch als Dokumentationszentrum für die Öffentlichkeit könne die Halle künftig nicht dienen, da sie mitten im Sicherheitsbereich des Gefängnisses läge. Diesen Tatsachen stünde gegenüber, dass das Land dringend ein neues Justizkrankenhaus brauche – und ein anderer Standort sei trotz intensiver Suche nicht gefunden worden.

Das neue Krankenhaus soll 205 Plätze bekommen

Die Pläne sehen vor, dass auf dem Gelände der JVA ein interdisziplinäres Krankenhaus mit psychiatrischem Schwerpunkt entsteht. Geplant sind 205 Haftplätze. Neben den Krankenstationen wird es weitere Nutzungen geben, beispielsweise Verwaltungsbereiche, eine Sporthalle und eine Essensversorgung. Damit sollen Synergieeffekte zwischen der bestehenden JVA und dem neuen Krankenhaus erreicht werden.

Laut Finanzministerium handelt es sich bei dem Krankenhaus um ein so genanntes „Top-Projekt“. Das bedeutet, dass bereits in einem frühen Projektstadium Planungsgelder veranschlagt werden – in diesem Fall 25 Millionen Euro. Dabei handle es sich aber nicht um die Gesamtkosten des geplanten Neubaus. Vielmehr werde so sicher gestellt, dass der Landtag den Baubedarf anerkenne. Einen Zeitplan gibt es noch nicht. Immerhin können nun die konkreten Planungen starten und die notwendigen Ausschreibungen eingeleitet werden. Derzeit wird laut dem Finanzministerium die Dokumentation des Mehrzweckgebäudes mit den Denkmalschutzbehörden abgestimmt und der Abbruch untersucht.

„Das ist eine Lösung die Sinn macht und die wir mittragen müssen“, kommentiert die Stammheimer Bezirksvorsteherin Susanne Korge die Planungen. Ein Abriss der alten Mehrzweckhalle sei die einzig vernünftige und wirtschaftliche Alternative. Korge wünscht sich, dass die Auswirkungen der Baustelle den Bezirk nicht zu sehr belasten. Und wenn dann das Krankenhaus eines Tages in Betrieb ist, hofft sie, dass endlich etwas gegen die Lärmbelästigung durch die JVA getan wird – deren Anwohner leiden nämlich vor allem unter dem ständigen Geschrei, das Besucher von außerhalb des Geländes mit den Zelleninsassen verursachen.