Im Kabarettkeller der Esslinger Galgenstricke herrscht derzeit eine beklemmende Stille. Draußen diktiert ein Virus die Schlagzeilen. Wie gehen Herbert Häfele und Erich Koslowski mit der vertrackten Situation um?

Esslingen - Die Zeit mit all ihren Wirrungen und Wendungen läuft lautstark weiter – und das Kabarett bleibt stumm. Das ist wie ein Porsche mit vier platten Reifen, nichts geht voran! Für die Esslinger Galgenstricke Herbert Häfele und Erich Koslowski (beide 64) dürfte in diesen Tagen und Wochen die Stimmung zwischen Wollen, Können und Dürfen hin und her zucken. Und schuld hat wie sonst im humorigen Gewerbe nicht der schlagerselige Bossa Nova, sondern das bitterböse pandemische Virus Corona.

 

Seit Mitte März herrscht im Webergassenkeller die klammfeuchte Flaute: Auf der Strecke blieben wegen der Kontaktsperren das Stück „Waidmannsheil“, entstanden in Zusammenarbeit mit der Württembergischen Landesbühne (WLB), und das Eigenprodukt „Populeer“. Die lodengrüne Hochsitzgroteske mit den beiden Stricken pendelt zwischen Schwarzwildansitz und schwarzem Humor aus der Feder der Theaterautorin Susanne Hinkelbein, Populeer zieht seine Kreise als Schlag-auf-Schlag-Potpourri von der Erschaffung der schwäbischen Menschheitsgattung über die Völkerwanderungen unserer Tage bis zu den „oiden Twittersleut“ à la Trump und Erdogan.

Kollektivquarantäne und Knockout in der Kassenbilanz

Der viel zitierte Lockdown als Kollektivquarantäne ist die eine, der Knockout in der Kassenbilanz die andere Seite derselben misslichen Medaille: Die Kabarettstätte in der Webergasse trägt sich in etwa fifty-fifty durch Zuschüsse und Einspielgelder, bricht eine Säule weg, gerät die ganze Balance ins Rutschen. „Im Prinzip sind wir pleite“, sagt Erich Koslowski.

Immerhin hat sich auf der Habenseite erst jüngst etwas getan: Laut Koslowski steuerte das Land 9000 Euro als sogenannte Soforthilfe für Kleinunternehmen bei, 7500 Euro machte der Förderverein locker und die von Herbert Häfeles Tochter Lotta angeregte und dann aufs Gleis gehievte Gutscheinaktion für später nachgeholte Veranstaltungen brachten bis dato 8000 Euro ein. Die Stadt hat als Unterstützung ihren Jahreszuschuss diesmal auf einen Schlag überwiesen. „Das war schon mal gut“, lobt Erich Koslowski.

Die Vorschläge einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Lockerung der Corona-Vorschriften im Land, nämlich bei Privatfeiern, Vereinsversammlungen und Theateraufführungen sowie bei sonstigen „kontrollierbaren Treffen“ mit Stichtag 1. Juni bis zu 100 Teilnehmer zuzulassen, würden bei ihrer Umsetzung für die Galgenstricke keine sonderlich rosigen Perspektiven eröffnen. Lege man die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zugrunde, so hat das Duo schon mal durchgespielt, könnte statt der normalerweise möglichen 90 Zuschauer gerade mal ein Dutzend unterkommen, heißt es. Gleichwohl, sagt Herbert Häfele, „würden wir uns dem nicht verweigern“.

Fortschreibung des abgebrochenen Stücks Populeer ist möglich

Was im Moment schlichtweg fehle, so monieren die beiden Kabarettisten unisono, sei ein zeitlich verbindlicher „Masterplan“ wie es in Sachen Coronadefensive weitergeht. Von stressfreier, unbeschwerter kreativer Muse könne derzeit indes keine Rede sein, ergänzt Erich Koslowski. Die Haushaltspläne müssten ans Land geschickt werden – „und dabei kriegt man den Kopf nicht frei“.

Sie wollen auf jeden Fall weitermachen, unterstreichen die Galgenstricke, galliger Galgenhumor allein ist nicht ihr Ding. Ideen und Einfälle aber kennen keine Quarantäne, und flaut die virale Aufgescheuchtheit einmal ab, so stellt sich Koslowski etwa für die Fortschreibung des jäh abgebrochenen Stücks Populeer ein „Populeer reloaded“, also eine partielle Neuauflage „mit Nachladung“ vor. „Wenn etwa Rechtsradikale bei Demos sich angeblich für die Grundrechte einsetzen und dabei selbst Judensterne missbrauchen, so dürfe man ihnen das nicht durchgehen lassen“, postuliert Koslowski strikt.

Neben Inhaltlichem bleibt für die Kabarettisten derzeit auch die passende Bühne und das Medium auf der Tagesordnung. Sich ans Modell Autokino anzulehnen, wäre als Ausnahme denkbar, sagen sie – idealerweise aber lebe ihr Metier von der Spannung sowie der unmittelbaren Direktheit zwischen den Akteuren und ihrem Publikum.