Die neue Bundesregierung steht noch gar nicht – doch Mathias Richling hat alle schon drauf. Vor seinen acht Heimspielen im Renitenz äußert sich der Stuttgarter Kabarettist zum neuen politischen Personal in Berlin – und welche Chefsache auf OB Frank Nopper wartet.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Unter der Regie von Günter Verdin bilanziert der Stuttgarter Kabarettist Mathias Richling in seinem neuen Programm „RICHLING#2021“ schon vor Silvester das ereignisreiche Jahr 2021. Damit feiert er am Freitag Stuttgart-Premiere im Renitenz-Theater und spielt bis Samstag, 20. November (am Montag ist Ruhetag).

 

Herr Richling, ist der Kabarettist froh, dass er nach 16 Jahren nicht mehr eine Kanzlerin, sondern einen Kanzler parodieren kann?

Die Freude oder Nicht-Freude über eine Kanzlerschaft ist für meine Arbeit vollkommen unerheblich. Ich muss mich politisch mit dem beschäftigen, was ist. Und nicht mit dem, was mich freut. Da mache ich mir jeden kabarettabel. Wobei Olaf Scholz nicht erst Kanzler werden muss, um bei mir ins Programm zu kommen. Das ist er schon seit einiger Zeit mit seinen Skandalen um die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank und seinen Verzögerungstaktiken dabei, sowie mit seinen Finanz-Nicht-Aufsichten bei Wirecard und . . . Wir wollen hier nicht alles noch mal aufzählen. Als Charakter ist er nicht leicht erkennbar. Aber wenn er sich meine Interpretationen von ihm ansehen würde, würde er sich vielleicht zumindest selbst erkennen. Also, um Ihre Frage zu beantworten: Nein.

Helmut Kohl war noch lange in Ihrem Programm nach seiner Abwahl. Was geschieht mit Angela Merkel?

Da darf ich heftig widersprechen! In der Nacht vom 27. auf den 28. September 1998, also in der Nacht der damaligen Bundestagswahl, habe ich alles, was mit Helmut zusammenhing, aus meinem Programm für die Vorstellung am nächsten Tag gestrichen. Das war gut ein Drittel. Weil ich ein Prinzip habe: Es wird nicht nachgetreten. Er war aus dem Amt entfernt. Was gab es da noch zu kritisieren?

Das ehrt Sie. Aber haben Sie Gedächtnislücken? Ich hab’ den Kohl doch später bei Ihnen immer wieder vernommen!

Dass er – quasi als Gespenst – bei mir auftauchte, lag an der Notwendigkeit, sich mit ihm zu beschäftigen, weil er uns nicht in Ruhe lassen konnte mit der qualvollen Handhabung seiner Spendenaffäre und seines damit verbundenen Gesetzesbruchs. Ähnliches ist bei Angela Merkel nicht zu erwarten. Also kann es durchaus sein, dass sich bei den Deutschen ein gewisses Vermissen ihrer Person breit macht. Damit hat sie aber in meiner Show nichts verloren. Was ihr sicher Freude bereiten wird.

„Die Bräsigkeit von Olaf Scholz hat mit infamer Ignoranz zu tun“

Wie schwer ist es, einen in sich ruhenden, besonnen bis langweilig wirkenden Politiker wie Olaf Scholz zu karikieren?

Die Bräsigkeit von Olaf Scholz stellt sich für mich anders dar. Das sukzessive Nicht-Beantworten von einfachen Fragen, selbst wenn sie zehnmal hintereinander gestellt sind, hat für mich eher mit infamer Ignoranz zu tun.

Raten Sie ihm zu Gefühlsausbrüchen?

Es wäre sinnlos, ihm dies anzuraten. Weil Gefühlsausbrüche eine gewisse Ehrlichkeit voraussetzen und auf jeden Fall demaskierend wirken. Bei allem Undurchsichtigen des Olaf Scholz ist es dennoch erstaunlich, dass sich inzwischen 63 Prozent der Deutschen ihn als Kanzler wünschen. Das ist nur damit zu erklären, dass der Mensch immer angezogen wird von Verruchtem und Halbseidenem. Und wenn Scholz weggesehen hat bei zwei Milliarden Euro, die es auf Treuhandkonten nie gab, ist das eine gute Basis für eine Heroisierung, wie sie Gestalten wie Al Capone zuteil wurde. Das Ungewöhnliche bei Olaf Scholz ist, dass die Verherrlichung bereits stattfindet zu seinen Lebzeiten. Aber er ist ja auch bei weitem nicht so lebensgefährlich. Aber da der deutsche Wähler von Natur aus gerne Steuern spart und seine Putzfrau nicht anmeldet, hofft er natürlich, dass Scholz auch bei seiner Steuererklärung ein Auge zudrückt, wie er es bei der Warburg-Bank und deren rückzuzahlenden Steuern von 47 Millionen auch getan hat.

Es heißt, Lindner sei der Gewinner der Sondierung, weil er am meisten durchgesetzt hat – kein Tempolimit, keine Steuererhöhungen für Reiche etc.

Naja, noch hat er ja gar nichts gewonnen. Sein eigentliches Problem ist, dass ein intensives Interesse an Politik sich nach Jahrzehnten endlich mal wieder verlagert zur Jugend hin. Die sich lautstark äußert und einmischt. Gerade auch in Hinsicht auf Inkonsequenz und Trägheit beim Thema Klima und nicht nur in Form von weltweiten Protesten a la „Fridays for Future“‘. Christian Lindner hat sich vor noch nicht allzu langer Zeit jedoch ziemlich empört über die, die Bildung schwänzen wurden für ein Schlagwort ‚Umwelt‘ und gab zu verstehen, dass Umwelt kein Kinderspielzeug sei und dass die Jugend gewissermaßen erst mal ihre Kinderzimmer aufräumen sollte, bevor sie den Erwachsenen Tipps gibt, wie die die Welt aufräumen sollen. Nun haben aber ausgerechnet diese Jugendlichen, die Erstwähler, ihm und seiner FDP bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen gegeben. Das wird das eígentliche Vergnügen der nächsten Regierungszeit werden, wie sich Lindner der ehemals von ihm abgekanzelten Jugend an den Hals wirft, wo sie sich ihm an den Hals geworfen hat und ihn gekanzlert hätte, wären nur ihre Stimmen gezählt worden.

„Die Grünen hätten auch Pipi Langstrumpf nehmen können“

Was wird aus der Kanzlerkandidatin der Grünen? Für welche Ämter in der Regierung ist sie am besten geeignet?

Baerbock wird die Bundestags-Bibliothek entdecken und erstaunt sein, aus wie vielen Büchern sie noch alles Mögliche abschreiben kann. Auch für ihren eigenen Lebenslauf. Denn wir haben ja im Wahlkampf erfahren, dass sie im Grunde vor allem besteht aus den Geschichten, die sie sich selbst über sich ausgedacht hat. Man hätte auch Pippi Langstrumpf nehmen können als Kanzlerkandidat. Oder ein Unternehmen. Am besten eines für Solarenergie. Da ist es jetzt wichtig, dass sie sich nicht verzettelt mit zu vielen Talenten und sich voll konzentrieren kann auf ihre einzige Qualifikation „Frau“.

Ihr neues Buch befasst sich mit Corona – Sie schreiben von „Panik-Maßnahmen“ der Politik und über „Langzeitfolgen“ für die Demokratie. Aber ohne Maßnahmen wäre die Menschheit inzwischen kleiner.

Ja, das sagen Sie. Und dass ohne diese Maßnahmen die Menschheit kleiner wäre, ist sicher richtig. Aber nur zum Teil. Das liegt aber daran, dass viele Menschen wegen der Maßnahmen nicht nur nicht umgekommen sind wegen eines Virus, sondern auch nicht umgekommen sind wegen Feinstaub in den Innenstädten, wegen Lungenkrebs und Allergien, wegen Bronchialleiden und wegen tödlicher Autounfälle. Daraus ergibt sich die Frage, ob wir nicht einen permanenten, nie endenden Lockdown machen sollten, um uns nicht nur vor Corona zu schützen. Denn das ist meine Hauptfrage in dieser Zeit: Wenn man uns so massiv vor einem Virus schützt, warum lässt man so viele andere tödliche Gefahren weiter zu?

Lesen Sie aus unserem Angebot: Forscher: Maßnahmen auch bei hohen Impfquoten notwendig

Warum hat die Forschung bisher keinen Impfstoff gegen Idioten entwickelt?

Weil die Idiotie zu viele Mutanten entwickelt hat. Wenn wir beim aktuellen Beispiel bleiben, sehen wir einerseits, dass sich unvorstellbare Idiotie ausbreitet in Form von irrwitzigen Wahnvorstellungen eines Wendler oder Naidoo. Die aber andererseits durchaus Zulauf bekommen durch unvorstellbare, nicht nachvollziehbare Idiotien von Möchtegern-Fachleuten, die etwa im Januar 2020 sagen, eine Maske gegen Corona bringt nichts, im Februar ist die Maske eher virusfördernd, im März wird sie empfohlen und im Mai ist sie Gesetz. Der Bürger ist in einer Notlage und will klare Aussagen. Erklären Sie mir bitte, wie es möglich ist, dass ich im vergangenem Oktober eine mit 1500 unmaskierten Besuchern bis auf den letzten Platz voll besetzte Opernvorstellung besuchen kann und am nächsten Tag ein anderes Theater aufsuche, wo jeder dritte Platz frei bleiben und während der Vorstellung die Maske getragen werden muss. Beide unter der Prämisse der 3G-Regel. Ist das Virus zur selben Zeit im anderen Theater virulenter? Darf mir das idiotisch vorkommen? Können Sie mir das erklären?

Das will ich Ihnen gern erklären: Das gefährliche Virus hat unser Leben so sehr bedroht, dass erst Idiotisches passieren muss, bis Vernunft herrscht. Aber das ist arg theoretisch. Deshalb rein in die Praxis. Was erwartet Ihr Publikum achtmal im Renitenz? Und was haben Sie in der langen Corona-Pause gemacht?

Nun, pausieren und pausieren ist natürlich zweierlei. Ich konnte keine Live-Vorstellungen spielen, das ist richtig. Aber meine „Mathias-Richling-Show“ im SWR lief weiter. Ohne Publikum natürlich. Das habe ich dann auch noch gespielt. Dann habe ich eine Gedenkschrift verfasst für meinen alten Freund und Schuldirektor Volker Merz, den wir im Frühjahr beerdigen mussten. Und ich habe ein Buch geschrieben: „Das Virus Demokratie?“, in dem ich die letzten beiden Jahre aufarbeite aus der Perspektive aller Beteiligten und jeden zu Wort kommen lasse von Lauterbach bis Merz, von Elon Musk bis Jens Spahn. Die alle haben auch ihren Auftritt haben im Programm „Richling #2021“ jetzt im Renitenz-Theater zusammen mit Andreas Gabalier oder Boris Becker. Und mir natürlich.

Richling schenkt OB Frank Nopper eine Idee

In Ihrer Heimatstadt Stuttgart gibt’s einen neuen OB. Was sollte er noch vor Weihnachten zur Chefsache machen?

Auf jeden Fall muss Frank Nopper schnellstens gleich ziehen mit der Landesregierung. Denn wenn das Land eine Imagekampagne braucht für insgesamt 21 Millionen, dann kann Stuttgart sich nicht mit alten Floskeln über Wasser halten, das viele beim neuen Landesslogan nicht mehr halten können. Und damit der OB für eine weitere Peinlichkeit nicht genauso viel Geld investieren muss, darf er sich gerne meines Vorschlages bedienen. In Anlehnung an „The Länd“ kann es für Stuttgart künftig nur noch heißen: „The Städt“. Herr Nopper, übernehmen Sie!

Infos

Heimspiele
Die Vorstellungen von Mathias Richling von Freitag, 12. November, bis Samstag , 20. November, im Stuttgarter Renitenztheater beginnen jeweils um 20 Uhr. Der Montag ist spielfrei. Karten gibt es im Netz im Onlineshop. Wer die Vorstellungen besuchen will, muss – so verlangt es die aktuelle Corona-Verordnung – geimpft oder genesen sein oder einen PCR-Test gemacht haben.