Die Ampel-Koalition ist für Dauerstreit bekannt. Wird bei der Kabinettsklausur in Meseberg zumindest die eine oder andere Einigung erzielt? Wir erklären, bei welchen Themen die Parteien miteinander ringen – und warum.

Eigentlich, ja eigentlich dienen Kabinettsklausuren dazu, Teamgeist zu wecken – und auch mal über den Tag hinauszublicken. So soll es bei der Klausur des Bundeskabinetts am Sonntag und Montag auf Schloss Meseberg um Themen wie diese gehen: wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas in der Zeitenwende, aber auch um Datenpolitik und künstliche Intelligenz, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitgeteilt hat.

 

Natürlich biete es sich aber auch an, „das ein oder andere Thema am Rande, bei dem es leichte Reibungen geben könnte, auch miteinander zu klären“, fügte Hebestreit hinzu. Das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP ist kompliziert. Der Dauerstreit gehört zum festen Erscheinungsbild der Ampel. Es gibt zahlreiche Baustellen.

Haushalt

Die Schuldenbremse soll wieder eingehalten werden. Es darf keine Steuererhöhungen geben. Das sind die Bedingungen, unter denen die FDP sich auf die Ampel-Koalition eingelassen hat. In Zeiten des Krieges in Europa ist das schwierig. Deshalb mussten beim Sondervermögen für die Bundeswehr und den Hilfen gegen hohe Energiepreise bereits Wege gefunden werden, wie die Schuldenbremse umgangen werden kann. Jetzt wird deutlich: Dennoch knirscht es erheblich. Die Fachminister wollen insgesamt 70 Milliarden Euro mehr von Bundesfinanzminister Christian Lindner, als dieser es vorgesehen hat.

„Bundesfinanzminister Lindner hat zuletzt noch einmal betont, dass wir in Sachen Schuldenbremse nicht von unserem Kurs abweichen werden und Steuererhöhungen nicht infrage kommen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr dieser Zeitung. „Wir brauchen einen soliden Haushalt, ansonsten werden künftige Generationen die Last tragen.“

Planungsbeschleunigung

Wer in Deutschland etwas bauen möchte, egal ob Windrad, Stromleitung, Bahnstrecke oder Straße, wartet teils Jahre auf die Umsetzung. Daher will die Ampel-Koalition Planungsverfahren beschleunigen. Die Grünen setzten sich bei Verkehrsprojekten dafür ein, dass die Schiene einen klaren Vorrang bekommen soll. Die Liberalen wollen, dass auch Autobahnen schneller geplant und genehmigt werden.

Linken-Chefin Janine Wissler sieht das Versprechen der Ampel, eine Verkehrswende einzuleiten, längst gebrochen. „Während sich der Verkehrsminister mit voller Verve für die Verlängerung der Verbrennermotoren stark macht und den Fokus auf die Straße richtet, wird parallel der Ausbau der Bahn auf die lange Bank geschoben“, sagte sie dieser Zeitung. Eine Kritik, der sich viele Grüne anschließen dürften.

Verbot von Öl- und Gasheizungen

Die gleiche Frontstellung, anderes Thema: „Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Vor einem Jahr wurde gemeinsam verabredet, dies „möglichst“ auf 2024 vorzuziehen. Wer eine neue Heizung braucht, müsste künftig eine Wärmepumpe oder Pelletheizung einbauen, oft zieht das weitere Sanierungen, etwa an den Fenstern, nach sich. Die Grünen pochen auf die getroffene Vereinbarung, die FDP stellt sich quer.

Verbrenner-Aus/Verkehr

Das EU-weite Verbrenner-Aus ab 2035 steht auf der Kippe, weil Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit einem Veto droht. Er fordert Ausnahmen für E-Fuels. Die Grünen sind alarmiert und sehen die Klimaziele der gesamten Europäischen Union in Gefahr. Anton Hofreiter (Grüne) fordert ein Machtwort des Kanzlers, damit Deutschland dem Verbot doch zustimmt. Dazu wird es dem Vernehmen nach zumindest in Meseberg nicht kommen.

Kindergrundsicherung

Für SPD und Grüne ist es ein Herzensprojekt – für Christian Lindner geht es um viel Geld. Die Kindergrundsicherung ist eines der komplizierteren Gesetzgebungsprojekte. In ihr sollen unterschiedliche Familienleistungen zusammengefasst werden – mit dem Ziel einer gerechteren Verteilung. Ausgezahlt werden soll sie zwar erst 2025. Aber Familienministerin Lisa Paus hat schon klar gemacht, dass sie deutlich mehr Geld braucht. Finanzminister Lindner mahnt, höhere Transferleistungen seien nicht immer die beste Lösung. Und jetzt?

Der Deutsche Kinderschutzbund pocht vor der Kabinettsklausur von Meseberg auf Fortschritte. „Der Kindergrundsicherung läuft die Zeit davon, wenn sie noch in dieser Legislatur kommen soll“, sagt der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. „Mein Verständnis für die Hinhaltetaktik einiger Minister innerhalb der Koalition ist allmählich erschöpft“, fügte er hinzu. „Kinderarmut bekämpft man nicht mit Pädagogik allein, sondern man bekämpft sie mit Geld.“