Der Stuttgarter Autohersteller Mercedes-Benz ändert seine Modellstrategie von Grund auf. Noch mehr Luxus, heißt die Devise von Vorstandschef Ola Källenius. Für die Kunden bedeutet dies einiges.

Mercedes-Benz-Vorstandschef Ola Källenius setzt bei seiner Modellstrategie alles auf die Karte „Luxus“. Der Schwede will die oberen und obersten Segmente weiter ausbauen, in der Kompaktklasse wird es dafür deutlich weniger Modelle geben.

 

Der Stuttgarter Autobauer will sich noch stärker auf das Luxussegment konzentrieren und sein profitables Wachstum weiter vorantreiben. Künftig liegt der Fokus auf drei Produktkategorien, wie Källenius und Finanzchef Harald Wilhelm im Rahmen einer Veranstaltung zu den Details der Mercedes-Luxusstrategie erläutert haben. Mehr als drei Viertel der Investitionen sind demnach für die oberen beiden Segmente vorgesehen, sagte Källenius vor etwa 100 Finanzanalysten, Influencern und Kunden in Monaco.

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In der Kategorie, die Mercedes als „Top-End Luxury“ bezeichnet, sind die Topmodelle von Maybach, AMG sowie die G-Klasse angesiedelt, „mit besonderem Fokus auf Elektroantrieb und stärkerer Individualisierung“, wie es heißt. Zudem soll es in einer besonderen Serie „hochexklusive Sammlerstücke“ geben. Der Absatzanteil dieser Modelle soll bis 2026 , bezogen auf das Vor-Corona-Jahr 2019, um rund 60 Prozent auf etwa 17 Prozent steigen, wie Källenius erläuterte. In der Produktklasse „Core Luxury“ (Core heißt auf Englisch so viel wie Kern) sind die absatzstarken Modelle C und E vertreten, in China soll es eine neue Fahrzeugklasse geben. Das Modell nur für den chinesischen Markt soll auf der E-Auto-Architektur EVA entstehen und damit in einer Klasse wie EQS und EQE spielen.

In der dritten Kategorie „Entry Luxury“ (Tor zum Luxus) liegt der Fokus den Angaben zufolge „auf vier Modellvarianten mit höherer Positionierung als heute“. Der „Einstiegspunkt in die Marke wird neu definiert“, sagte Källenius. Die Kompaktfahrzeuge werden also deutlich teurer. Dafür soll der Kunde auch mehr an Technologie und Luxus bekommen.

Im Klartext heißt dies: Mercedes konzentriert sich auf teurere Fahrzeuge und will mit jedem einzelnen Auto eine höhere Rendite erzielen als bisher. In der Kompaktklasse bedeutet das, Abschied zu nehmen von drei der sieben Kompaktmodelle. Das Eingangssegment – eben „Entry Luxury“ – wird künftig vier Kompaktmodelle umfassen. Welche Kompaktautos der Luxusstrategie zum Opfer fallen, sagte Källenius nicht: „Welche Modelle das sind, überlasse ich Ihrer Fantasie.“ Gleichzeitig will Mercedes „die technologische Substanz der Produkte erheblich aufwerten“.

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Nach Recherchen unserer Zeitung handelt es sich um die „normalen“ Modelle der A- und der B-Klasse, die nach dem Auslaufen des jetzigen Modells in zwei bis drei Jahren eingestellt werden. Die E-Varianten EQA und EQB sollen wohl zunächst ebenso weiterlaufen wie die SUV GLA und GLB. Der CLA, eine Variante der C-Klasse, wird wohl auch gestrichen. Das bedeutet nach Ansicht von Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research in Duisburg, dass die Zahl der verkauften Autos um mehrere hunderttausend sinken könnte. Mercedes hat im Vorpandemiejahr 2,3 Millionen Autos gebaut, 2021 waren es rund zwei Millionen Stück. Källenius wollte von Produktionsrückgängen nichts wissen: „Der Strategiewechsel wird keine direkten Auswirkungen auf die Stückzahlen haben.“

Källenius bestätigte de facto, dass die Kompakten eingestellt werden. Die kleineren Fahrzeuge, die damit auch weniger Sprit verbrauchen, seien künftig nicht mehr nötig für die CO2-Reduktion, gerechnet auf die gesamte Mercedes-Flotte: „Wir brauchten früher die Kompaktmodelle, um die CO2-Ziele zu erreichen. Im E-Auto-Zeitalter ist diese Rechnung nicht mehr gültig.“

Die „Neupositionierung von Mercedes-Benz zielt auf strukturell höhere Profitabilität bei geringerer Volatilität“ ab. Die Umsatzrendite solle „in einem günstigen Marktumfeld ab Mitte des Jahrzehnts auf rund 14 Prozent angehoben“ werden. Zum Vergleich: Mercedes will 2022 im Jahresschnitt mit dem Pkw-Kerngeschäft eine Rendite von 11,5 bis 13 Prozent auf den Umsatz erwirtschaften, wie der Autobauer anlässlich der Zahlen zum ersten Quartal Ende April bekannt gegeben hat. Mit der Neuausrichtung wolle man zudem grundsätzlich „den Weg in die vollelektrische Zukunft beschleunigen“. Die Entscheidung, bis 2030 vollelektrisch zu werden – wo es die Marktbedingungen zulassen, wie Källenius erneut betonte – und das Ziel, bis 2039 CO2-neutral zu werden, „werden die Verbindung zwischen Luxus und Nachhaltigkeit weiter stärken“.

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Autoexperte sieht Risiken

Der Fokus auf Luxus folge der steigenden Kundennachfrage in diesem Segment. Die S-Klasse etwa habe 2021 ein Plus von 40 Prozent erreicht, auch Mercedes-AMG und Mercedes-Maybach hätten neue Höchstwerte erreicht. Weltweit gebe es immer mehr Menschen, die sich teure Autos leisten könnten. Die Anzahl der Dollarmillionäre werde zwischen 2020 und 2025 von 56 Millionen auf mehr als 80 Millionen Personen steigen.

Dudenhöffer sieht in der Ausrichtung ein Risiko. Volumenmodelle brächten eine gewisse Absicherung, wenn es im „volatilen Segment Superluxus“ Absatzprobleme gäbe. Mögliche Schwankungen bedeuteten auch, dass „Mercedes eine deutlich höhere Eigenkapitalbasis benötigt, als das jetzt der Fall ist“.

Die IG Metall hielt sich mit einer Kommentierung zurück. Nur Mercedes-Gesamtbetriebsratschef Ergun Lümali sagte: „Mit der Fokussierung auf das Luxussegment will das Unternehmen deutlich profitabel wachsen.“ Der Betriebsrat lege Wert darauf, „das die deutschen Standorte dabei eine wichtige Rolle spielen“.