Der Hersteller Biontech/Pfizer kann vorübergehend nicht mehr die gewohnten Mengen seines Corona-Präparats liefern. Die Zulassung des Vakzins von Astrazeneca dürfte die Situation entspannen – aber in geringerem Maße als bisher erhofft.

Berlin - Die angekündigten Lieferprobleme beim Pharmakonzern Astrazeneca treffen die EU zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da auch das Konsortium Biontech/Pfizer aufgrund eines Umbaus seiner Produktion vorübergehend weniger Corona-Impfstoff liefern kann. Nach Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen, kommt es in Deutschland in der vierten Kalenderwoche zu einem deutlichen Einbruch der angelieferten Menge an Impfstoff.

 

Aktuelle Entwicklungen zur Coronapandemie in unserem Newsblog

Wurden in der dritten Kalenderwoche bundesweit rund 842 000 Impfdosen des Präparats von Biontech/Pfizer ausgeliefert, werden in der vierten Kalenderwoche nur noch 486 000 Dosen erwartet. In Baden-Württemberg geht die Zahl der gelieferten Dosen laut Dokument von 111 000 auf 64 000 zurück. Die Liefermengen sollen wieder kontinuierlich steigen, erreichen aber auch in der siebten Kalenderwoche noch nicht den alten Stand: So erwartet der Bund dann insgesamt 743 000 Dosen und Baden-Württemberg 99 000. Insgesamt sollen die zugesagten Liefermengen für Februar aber eingehalten werden.

 

Nur 31 Millionen Dosen im ersten Quartal

Auch die Mengen, die der US-Hersteller Moderna liefert, sind überschaubar. Deshalb setzen Mediziner und Gesundheitspolitiker jetzt große Hoffnung auf den Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca, dessen Zulassung Ende dieser Woche erfolgen dürfte. Bis zu 400 Millionen Dosen hatte sich die EU davon gesichert. Am vergangenen Freitag musste das Unternehmen jedoch einräumen, dass es wegen Produktionsproblemen nicht so viele Dosen wie vereinbart liefern kann. Statt 80 Millionen im ersten Quartal sollen es EU-weit jetzt nur 31 Millionen sein.

Die Impfprogramme könnten durch den neuen Stoff dennoch beträchtlich beschleunigt werden – wenn auch nicht im ursprünglich erhofften Ausmaß. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, sagte unserer Redaktion: „Die Anwendung ist einfacher, er braucht keine anspruchsvollen Kühlketten und könnte auch gut in einer Hausarztpraxis gelagert werden.“

Sehen Sie im Video: Wie der Corona-Impstoff funktioniert:

Die Unions-Gesundheitsexpertin Karin Maag (CDU) erwartet, „dass sich nach der Zulassung die neue Konkurrenzsituation positiv auswirken wird, auch Biontech wird sich dann mehr anstrengen“. Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich hob hervor, „dass es der Versorgung guttut, wenn wir bald nicht mehr von einem Lieferanten abhängig sind“. Gleichwohl dürfe man nicht die Augen vor dem Umstand verschließen, „dass Produktionsstörungen und Verzögerungen in den Lieferprozessen uns zurückwerfen können“.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wird voraussichtlich am kommenden Freitag die Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs empfehlen. Die eigentliche Zulassung dürfte dann binnen Stunden durch die EU-Kommission erfolgen. Noch ist aber unklar, unter welchen Bedingungen die EMA eine Freigabe empfehlen könnte. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung NRW, Frank Bergmann, erwartet, dass der Impfstoff „wegen der entsprechenden Studien wohl nur für Menschen bis 65 Jahre“ zugelassen wird.

„Wie ein erstklassiger Fußballverein“

Kommt es dazu, könnte sich Deutschland veranlasst sehen, seine Impfstrategie zu überarbeiten. „Dann könnten beispielsweise Beschäftigte im Gesundheitswesen eher drankommen, während die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna vorrangig an ältere Mitbürger verimpft werden“, sagte der EU-Abgeordnete und Arzt Peter Liese (CDU).

Der Impfstoff von Astrazeneca schützt wohl auch in geringerem Maße vor eine Corona-Erkrankung als die beiden Konkurrenzprodukte. Er soll im Mittel eine Wirksamkeit von 70 Prozent haben, während die anderen Impfstoffe auf über 90 Prozent kommen. Liese betonte gleichwohl, dass es sich um ein sehr gutes Präparat handele. „Astrazeneca ist wie ein erstklassiger Fußballverein, der es bis ins Halbfinale der Champions League schafft.“ Alle drei Produkte müssen zweimal verabreicht werden, um die volle Wirkung zu entfalten.

Insgesamt sind in Deutschland nach Angaben des Bundesgesundheitsministers bereits über 1,5 Millionen Impfungen durchgeführt worden. Über 100 000 Menschen haben bereits die zweite Impfung erhalten. 60 Prozent der Altenheimbewohner sind bereits einmal geimpft.