In der Corona-Krise greift Präsident Macron zu harten Maßnahmen. Die Krankenhäuser kommen an ihre Belastungsgrenzen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Die Wut bei Frankreichs Wirten ist riesig. „Wir sind am Ende unserer Kräfte, wir können das nicht mehr“, sagte Didier Chenet, Präsident des Hotel- und Gastroverbands GNI. Der Zorn der Gastronomen richtet sich gegen den Präsidenten Emmanuel Macron. Der hatte wegen massiv ansteigenden Corona-Zahlen nächtliche Ausgangssperren angekündigt. Das seien Maßnahmen zur Abschreckung der Menschen, erregte sich Chenet am Donnerstag im Sender Franceinfo, aber den Preis dafür müssten die Wirte bezahlen. Deshalb verlangt er massive Hilfen vom Staat.

 

Ausgangssperren in den Großstädten

Die Einschränkungen treffen vor allem die Großstädte. In Paris und in den Ballungsräumen von Grenoble, Lille, Lyon, Marseille, Rouen, Saint-Etienne und Toulouse dürfen die Bürger ab diesem Wochenende das Haus zwischen 21 Uhr abends und sechs Uhr morgens nur noch in Ausnahmefällen verlassen, wie Macron im Fernsehen ankündigte. Auf Reisebeschränkungen innerhalb des Landes, wie sie in Deutschland für heftigen Streit gesorgt hatten, verzichtet Frankreich dagegen. Nicht das Reisen sei das Problem, sondern die großen Ansammlungen von Menschen.

Der Premier rechtfertigt harte Maßnahmen

Am Donnerstag rechtfertigte Regierungschef Jean Castex das Durchgreifen. „Die zweite Welle der Pandemie ist da“, sagte er. Seit zehn Tagen gebe es eine „plötzliche und spektakuläre Beschleunigung“. Der Mitte-Rechtspolitiker machte deutlich, dass einige neue Beschränkungen für das ganze Land gelten. So sind private Feiern wie beispielsweise Hochzeiten in Festsälen oder anderen öffentlichen Orten nicht mehr erlaubt. Zur Überwachung der Ausgangssperren in den Metropolen sollen rund 12 000 Polizisten eingesetzt werden.

Macron zeigt sich optimistisch

War Präsident Emmanuel Macron während der ersten Corona-Welle vor allem durch seine Kriegsrhetorik aufgefallen, versucht er nun, Optimismus auszustrahlen. „Wir haben nicht die Kontrolle über die Epidemie verloren“, sagte er im Fernsehen Aus diesem Grund sei es nicht sinnvoll, einen Lockdown über das ganze Land zu verhängen, wie es im Frühjahr der Fall war. „Aber wir sind in einer Phase, in der wir nun entschieden agieren müssen“, sagte Macron und fügte dann hinzu: „Wir schaffen das.“

Der Staatschef versuchte die Maßnahmen auch mit einem Hinweis auf Deutschland zu rechtfertigen. „Deutschland greift schon jetzt zu ähnlichen Maßnahmen“, sagte er unter Verweis auf die geplanten Sperrstunden für die Gastronomie in Berlin und anderen Städten - dabei seien die Infektionszahlen dort noch deutlich niedriger.

Angespannte Lage in den Krankenhäusern

Vor allem in Paris hatte sich die Lage zuletzt massiv verschlechtert. Die Zahl der Neuansteckungen stieg laut den Gesundheitsbehörden auf 422 pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche - mehr als das Achtfache des Warnwerts von 50, der in Berlin und anderen deutschen Städten zuletzt überschritten wurde. Bei jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren liegt die sogenannte Inzidenz sogar bei 800. Große Besorgnis ruft hervor, dass in den Kliniken in Paris bereits fast die Hälfte der Intensivbetten mit Corona-Kranken belegt sind, bis Monatsende könnten es 90 Prozent sein. Frankreich ist mit fast 33 000 Corona-Todesfällen nach absoluten Zahlen eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa.

Drohende Probleme im Grenzgebiet

Angesichts der steigenden Zahlen könnte auch das bisher relativ verschonte Grenzgebiet zu Deutschland Probleme bekommen. Es wird berichtet, dass das Robert-Koch-Institut ab Freitag auch die Region Grand Est als „Risikogebiet“ einstufen könnte. Damit wäre wieder ganz Frankreich „rote Zone“, in der sich das Virus schnell ausbreitet. Mit diesem Schritt wären allerdings neue Kontrollen für Pendler absehbar. Grenzschließungen soll es wegen der „schlechten Erfahrungen“ vom Frühjahr aber nicht geben, wie Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei einem Besuch in Paris versicherte.

Auch der Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (CDU) wies am Donnerstag noch einmal darauf hin, dass angesichts der neuen Quarantäneverordnung Berufspendler im Grenzgebiet auch in Zukunft die Grenze überqueren könnten. Ebenso seien etwa Besuche bei Verwandten weiterhin möglich, wenn man sich nur 72 Stunden im anderen Land aufhalte, erklärte der Co-Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentarischen Versammlung.