Frankreichs Hauptstadt ist ein Corona-Hotspot, doch die Menschen dort scheint das inzwischen nicht mehr zu kümmern

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Der Parkwächter wird nicht müde, die Menschen zu ermahnen. „Ziehen Sie bitte die Maske über die Nase“, sagt der Mann immer wieder, doch führt er einen aussichtslosen Kampf. Zehntausende drängen an diesem strahlendblauen Wochenende in den beliebten Park Buttes-Chaumont im 19. Arrondissement von Paris. Auf den Wiesen herrscht ausgelassenen Picknick-Laune. Erst als am Sonntag einige Hundert junge Besucher große Lautsprecher auffahren und beginnen, eine wilde Rave-Party aufzuziehen, schreiten die Parkwächter ein und vertreiben die Leute.

 

Die Intensivstationen in Frankreich sind voll

Das Corona-Virus scheint seinen Schrecken verloren zu haben. Die Pandemie ist aus den Köpfen der Menschen verschwunden, verdrängt in eine entfernte Ecke der Gedankenwelt. Doch die Realität ist eine grausame: auf den Intensivstationen in Frankreich ringen noch immer fast 6000 Corona-Patienten mit dem Tod, gut tausend mehr als auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im November. Jeden Tag infizieren sich rund 30 000 Franzosen mit dem Virus. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in einigen Stadtteilen von Paris deutlich über 500.

Denn dieser bedrohliche Wert spiegelt sich allerdings nicht mehr im täglichen Leben der Hauptstadt wieder. Zwar sind viele Restaurants und Bistros weiter geschlossen, doch die Menschen drängen sich mit großer Sorglosigkeit in den Straßen. Am Sonntag fanden zudem mehrere große Demonstrationen statt, die von den Behörden genehmigt worden waren. Am Eiffelturm versammelten sich über 20.000 Menschen, um gegen ein umstrittenes Gerichtsurteil zu demonstrieren. Bei einem „Lesben-Marsch“ vor dem Senat in Paris haben mehrere Tausend Teilnehmerinnen für das Recht auf künstliche Befruchtung für alle demonstriert.

Das Leben in Paris brummt

Auch an normalen Wochentagen brummt in vielen Straßen der Stadt das Leben. In der Nähe der Métro-Haltestelle La Chapelle etwa, einem Viertel mit sehr vielen kleinen Lebensmittelgeschäften, scheint es keine Pandemie zu geben. Masken und Abstandsregeln sucht man dort oft vergebens.

Auch die Politik scheint den zuerst sehr energisch geführten Kampf gegen die Pandemie aufgegeben zu haben. Trotz der hohen Infektionszahlen wurden am Montag die ersten Schulen wieder geöffnet. Präsident Emmanuel Macron persönlich wünschte den Kindern einer Grundschule in Melun südlich von Paris einen guten Unterrichtsbeginn. Kommende Woche werden auch die Mittelschüler und Gymnasiasten wieder den Präsenzunterricht aufnehmen. Dieser Schritt sei wichtig, um „gegen soziale und schicksalhafte Ungleichheiten zu kämpfen“, betonte Macron und verwies in Sachen Schutzmaßnahmen auf die wöchentlich 400 000 Corona-Speicheltests in Kitas und Grundschulen. Eine Klasse werde in Quarantäne geschickt, wenn bei einem Kind eine Corona-Infektion festgestellt werde.

Politik setzt auf Prinzip Hoffnung

Immer offener wird in der französischen Politik darüber diskutiert, was den Menschen im Kampf gegen die Pandemie noch zumutbar sei. Gleichzeitig drängen in Paris die Restaurantbesitzer darauf, zumindest die Freiluftterrassen wieder öffnen zu können. Das soll nach dem Willen der Regierung Mitte Mai passieren. Kultureinrichtungen sollen dann schnell folgen. Offensichtlich setzt die Regierung inzwischen auf die steigende Zahl geimpfter Personen und auf die Hoffnung, dass keine neue Corona-Mutanten auftreten, die die ersten Erfolge schnell zunichtemachen könnten.