Der Kandidat für die Fraktionsspitze sagt im Interview harte Regierungsjahre für seine Partei voraus.

Berlin - Deutschland steht nach Ansicht des Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir (Grüne) vor stürmischen Zeiten – für die sich seine in Regierungsverantwortung strebende Partei auch durch seine Wahl zum Fraktionschef im Bundestag vorbereiten solle. „Die Konjunktur trübt sich ein, sodass wir Grüne eine Lösung bieten müssen – dafür, wie sich die ökologische Transformation unserer Volkswirtschaft machen lässt, wenn die Staatseinnahmen nicht mehr so sprudeln“, sagte Özdemir unserer Zeitung. Hierzu könne er „etwas beitragen“.

 

„Die Grünen wollen Verantwortung übernehmen“

Özdemir verwies auf drohende Handelskriege, den Konflikt mit dem Iran und das schwierige Verhältnis zu den USA sowie zu Russland: „In dieser außenpolitisch heiklen Lage gehen wir zugleich innenpolitisch schwierigen Zeiten entgegen.“ Der Grüne verwies auf politischen Gegenwind in der Klimapolitik, falls seine Partei an die Regierung kommen sollte, da „der notwendige ökologische Umbau der Gesellschaft manchen Menschen zu schnell gehen“ werde. „Wir Grüne wollen Verantwortung in diesem Land übernehmen und müssen uns deshalb für all diese Szenarien inhaltlich wappnen.“ Es werde in den nächsten Jahren „bockelhart, wie wir auf Schwäbisch zu sagen pflegen“.

Gerade in der Klimapolitik fordert der Kandidat von seiner Partei, den Bürgern reinen Wein einzuschenken. „Viele Menschen wissen, dass ich vor unbequemen Wahrheiten nicht zurückschrecke.“ Dazu gehört aus Özdemirs Sicht, „dass Klimaschutz nicht nur aus dem Verteilen von Fördergeldern besteht, sondern wir auch manch lieb gewonnene Gewohnheit ändern müssen“. So müsse man etwa „ehrlich sagen, dass es in Zukunft in der Stadt nicht mehr, sondern weniger Parkplätze geben wird, damit es Platz für sicheres Fahrradfahren und Fußgänger gibt“.

Im Interview mit unserer Zeitung greift der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag den zuständigen Minister zudem scharf an: „Ich treffe Unternehmer, die sich intellektuell regelrecht beleidigt fühlen von Verkehrsminister Andreas Scheuer.“ Statt dafür zu sorgen, so Özdemir, „dass auch die Autos von morgen in Deutschland gebaut werden und das Schienennetz mit der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft Schritt hält“, hätten der CSU-Politiker und dessen Vorgänger aus derselben Partei „ein ganzes Ministerium über Jahre mit diesem Maut-Schwachsinn lahmgelegt“.

Mit Kretschmann habe seine Kandidatur nichts zu tun

Nächsten Dienstag wählen die 67 Bundestagsabgeordneten der Grünen ihre Fraktionsspitze neu. Özdemir fordert dabei zusammen mit Kirsten Kappert-Gonther aus Bremen die Amtsinhaber Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter heraus. Dass Özdemir nur antritt, weil Winfried Kretschmann 2021 erneut Ministerpräsident werden will, weist er zurück – er habe Kretschmann „immer wieder ermuntert weiterzumachen“.