Skifahren in den kanadischen Rocky Mountains? Na klar! Einsame Pisten, fantastische Panoramen aus Eis und für Feinschmecker die Eiweiß-Diät.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Banff - Raus aus der Gondel, und schon spaziert man in eine andere Welt. Ein Winterwunderland, das des Kitschs von Disney-Filmen entbehrt: Zu oft stolpert man über die eigenen Schneeschuhe. Das Weiß schmeckt im Rausch der Weite puderzuckersüß. Am Horizont Berge wie in einem Luis-Trenker-Film, den höchsten und spitzesten von ihnen nennt Guide Michael das „kanadische Matterhorn“. Doch wegen des Matterhorns ist niemand hier. Eher schon, um die Spuren von Wieseln und Mardern in der glitzernden Sonne zu übersehen. Vor allem aber, weil kein Anton aus Tirol mit gewaltigem Gesang die Luft schwängert. Von Banff aus erstreckt sich Kanadas ältester Nationalpark in den Norden nach Jasper. Eine einzige Straße führt dorthin. „Nur fünf Prozent der Besucher verlassen sie, um das Hinterland zu erkunden“, sagt Michael.

 

„Aber trifft man dann einen, ist es ein Deutscher.“ Sie wollen dem Skizirkus der Alpen entfliehen und haben ein halbes Jahr dafür Zeit. Von November bis Mitte Mai dauert die Saison. Hier oben, auf dem Plateau, bieten nicht einmal Hütten Schutz - sie sind schlicht verboten. Und weiter unten waren die zwei Schneekanonen lange umstritten. Zwölf eher altmodische Lifte markieren die meist einsamen Pisten. Und Après-Ski? Der Saloon Mad Trapper macht dicht, bevor sich die erste Alkoholschwade bilden kann. Im Skigebiet Sunshine Village geht es allein um Eis und Schnee, Abwechslung bringen die Skilehrer. Sie kommen aus allen Himmelsrichtungen, selbst Burkina Faso hat eine Vertreterin entsandt. Sinéad flog einst aus dem flachen London ein und glänzt nun in der Höhe mit Tipps, wie man sich mutig die Hänge hinunterstürzen kann, den Blick immer geradeaus.

"Es ist toll, sich so winzig zu fühlen“

Am Horizont, sagt sie, entblättert sich Kate Moss. Und schau dir das Panorama an! „Die Rocky Mountains sind so alt und so weit. Es ist toll, sich so winzig zu fühlen“, sagt Sinéad. Sie mag das. Aus einer Skisaison wurde ein halbes Leben. „Ich habe mich verliebt - wie so viele hier.“ Wobei sie neben dem Nationalpark auch Ehemann Jeff meint. Wer liebt, der streitet auch: Im Nationalpark kabbeln sich Traditionalisten mit jenen, die um mehr Touristen werben. „Die Bewohner wachen mit Argusaugen, selbst wenn es nur um die Modernisierung eines Lifts geht“, sagt Sinéad. „Viele wollen nicht, dass die Nationalparks so kommerzialisiert werden wie in den USA.“ Und doch hat auch der Tourismus den Nationalpark geprägt. Die Besucher wollten die Schönheit der Landschaft nicht nur aus den Fenstern der neuen Eisenbahn bestaunen, die die Gegend zwischen Banff und Japser erschloss.

Die Fairmont Hotels wurden gegründet: Luxusbleiben mit einer spektakulären Aussicht. Die gewaltige Filiale am Lake Louise avancierte zum Top-Motiv der Rocky Mountains. Schöner noch ist der Blick aus dem mit Leuchtern behängten Innern: der erstarrte See, die in Wolken getauchten Gipfel - man möchte nur noch aus dem Fenster schauen. Käme nicht die kleine Hütte am See in Sicht. Bruce öffnet, ein Mann in Knickerbockern und mit dem markanten Schnauzer eines Polarreisenden. Geschickt zieht er Ski aus Holz hervor und streicht über die Zeit, als Langlauf noch ein Abenteuer war. Als Mountain Heritage Guide bringt der 64-Jährige den Touristen seit 40 Jahren die ersten Schritte und Schwünge bei - und das Gefühl für Schweiß und Geschichte. „Wir lieben unsere Heimat und gehen nicht weg. Und die, die kommen, bleiben hier.“

Und sofort prescht der Gegenbeweis heran. Brian McKeever ist in der Spur. Nur wenig später heimste Kanadas sehbehinderter Langlaufstar bei den Paralympics in Sotschi Gold Nummer sieben ein. Wie McKeever holen sich auch die Langläufer der USA in 2000 Meter Höhe die Extraportion rote Blutkörperchen, um im Finish den längeren Atem zu haben. Der von Bruce wird vor Aufregung bedenklich kurz: „Jaja“, meint er nur und zieht seinen Schnurrbart in die Länge. „Wenn du hier lebst, musst du die Farbe Weiß lieben. Sieben Monate dauert der Winter, und in den fünf anderen fährst du schlechter Ski.“ Doch man fährt auch ohne gut. Ein Auto, eine Straße: Unterwegs auf dem Icefields Parkway nach Jasper, eine der schönsten Routen der Welt. Sie zieht sich mitten durch die Berge, an jeder Kurve der Blick auf zerklüftete Felsen, Lawinenabgänge überall.

In der Weite Kanadas ist für alles Platz

Kein Handyempfang, kein Café, keine Tankstelle. Und Sinéad hatte recht: Winzig fühlt man sich, als der mächtige Athabasca- Gletscher seine eisige Zunge bis zur Straße streckt. Erst am Ende der vierstündigen Fahrt weiten sich Straße und Tal: Jasper kommt in Sicht, 4500 Einwohner, zwei Geschäftsstraßen, eine Verkehrsampel. Wenn Kanada das Land der Tiefenentspannten ist, dann ist hier der Platz für die Hängematte. Weshalb also nicht, nach einem Tag im nahen Skigebiet Marmot Basin, etwas abhängen? Auf zur Jasper Brewing Company, wo sie mit Bergwasser ein Dutzend Biersorten brauen. Für den deutschen Gaumen schmecken sie so rein wie der Cappuccino mit Vanillegeschmack für einen Kaffeeliebhaber. Doch in der Weite Kanadas ist für alles Platz. Wie für die Eiweiß-Diät: Auf Platz eins liegt das Angusrind, ein fleischig-luftiger Traum.

Man möchte auch essen, was dieses Rind gefressen hat. Auch Wildschwein und Elch sind ein Genuss. In der Kategorie Fast Food siegt der saftige Bisonburger, mit süßen Pommes und Salat garniert. So gesättigt könnte man sich nachts in die Hängematte begeben und zu den Sternen schauen. In Jasper lenkt nur wenig von den Sternen ab. Nur jeder zehnte Tourist kommt aus dem Ausland in den abgelegenen Fleck - auch das ein Grund, weshalb sich das Örtchen kaum zu ändern scheint. Die Abgeschiedenheit nutzt das Tourismusbüro für sich. Beim jährlichen Dark Sky Festival soll kein künstliches Licht den Blick zum Sternenlicht trüben, erzählt Kymberley, die einst aus England kam. Die Einwohner löschen die Wohnungslichter, Astronomen stellen ihre Fernrohre auf, Hobbyfotografen die Kameras, und Jaspers verbliebene Ureinwohner erzählen Sternenlegenden. „Schau einfach hin“, sagt Kymberley. Kanadas Winter kann so einfach sein.

Infos zu Alberta

Anreise
Air Canada fliegt täglich nonstop von Frankfurt nach Calgary. Preise je nach Monat ab 750 Euro. www.aircanada.com.

Tipps zum Skifahren
Die Skigebiete in den Nationalparks von Banff und Jasper sind landschaftlich herausragend, an den Liften gibt es praktisch keine Wartezeiten. In den Skigebieten fahren kostenlos Busse zu den Stationen. Preise für Skipass und Ausrüstung entsprechen denen in den Alpen. Skischulen sind tendenziell teurer. Warm anziehen! An kalten Tagen können die Temperaturen gerne einmal auf minus 20 Grad fallen. Infos zu Sunshine Village, Lake Louise und Marmot Basin gibt es im Internet unter www.skibanff.com, www.skilouise.com und www.skimarmot.com.

Powder Snow
Berühmt sind die Skigebiete von Banff und Lake Louise für ihren Pulverschnee - Powder Snow genannt. Weil es sehr trocken und kalt ist, stäubt der Schnee pulvrig in der eisigen Luft und rieselt herunter wie Puder. Der „Powder“ gehört zu Kanadas Skimythos wie die Butterbrezel zum schwäbischen Frühstückstisch.

Veranstalter
Pauschalreisen sind in Kanada meist günstiger, als Flug, Unterkunft und Skiausrüstung einzeln zu buchen. Hagen Alpin Tours ist auf Skireisen in Nordamerika spezialisiert. Eine Woche mit Flug, Unterkunft im Rimrock Resort in Banff, sechs Tage Skipass und Transfers kostet zum Beispiel im kommenden Jahr ab 1890 Euro/Person. Telefon 0 83 66 / 98 88 93, www.pulver-schnee.de.

Allgemeine Informationen
Infomaterial gibt es bei Travel Alberta: Telefon 0 18 05 / 52 62 32, E-Mail info@infokanada.de, www.travelalberta.de.

Was man tun und lassen sollte
Auf jeden Fall sollte man sich etwas Luxus gönnen. Die Hotels der Fairmont-Gruppe wie das Banff Spring Hotel oder das Chateau Lake Louise bieten atemberaubende Ausblicke und sind in der Nebensaison erschwinglich. Après-Ski-Fans reisen dagegen vergeblich. Die Hütten bieten eher Restaurant-Atmosphäre als Skizirkus - der ist in Kanada eher verpönt.

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