Der SPD-Vorsitz war in den letzten Jahren ein Schleudersitz. Acht Genossinnen und Genossen gelten als vielversprechende Anwärter.

Berlin - Der Rückzug von Andrea Nahles setzt das Kandidatenkarussell wieder in Gang. Diese Namen könnten dafür infrage kommen.

 

Malu Dreyer, 58

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Chefin könnte übergangsweise den Parteivorsitz übernehmen. Dreyer ist eine der wenigen verbliebenen SPD-Regierungschefs in einem Flächenland und genießt parteiübergreifend hohes Ansehen. Seit 2013 steht die Sozialexpertin und Juristin an der Spitze der Landesregierung in Mainz. Dreyer dürfte keine Ambitionen haben, die Partei auf Dauer zu führen. Sie ist gesundheitlich stark beeinträchtigt. In Rheinland-Pfalz wird gleichwohl davon ausgegangen, dass sich Dreyer bei der Landtagswahl 2021 abermals um das Amt der Ministerpräsidentin bewerben wird.

Olaf Scholz, 60

Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler war bislang – neben der scheidenden Parteichefin Andrea Nahles – bei der SPD der wichtigste Garant für die große Koalition. Der ehemalige Bundesarbeitsminister und Bürgermeister von Hamburg macht keinen Hehl daraus, dass er sich auch das Kanzleramt zutraut. Am Wochenende erst sagte Scholz, dass die SPD trotz desaströser Umfragewerte selbstverständlich auch bei der nächsten Bundestagswahl einen Kanzlerkandidaten aufstellen werde. Die Übernahme des SPD-Parteivorsitzes schloss er für sich aber aus. Er halte dies mit dem Amt eines Bundesministers der Finanzen zeitlich nicht zu schaffen, sagte Scholz am Sonntagabend in der ARD-Talksendung „Anne Will“.

Stephan Weil, 60

Seit dem Frühjahr 2013 ist der Jurist Ministerpräsident von Niedersachsen, zuvor war er Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover. Weil ist auch Vorsitzender der niedersächsischen SPD. Das macht ihn zu einem politischen Schwergewicht in der Partei. In Hannover regiert Weil gemeinsam mit der CDU. Das prädestiniert ihn dafür, die Groko auch im Bund gegen Widerstände zu verteidigen. Weil könnte Parteivorsitzender werden. Er wiegelte aber bereits ab. „Ich bin und bleibe furchtbar gerne Ministerpräsident aus Niedersachsen und habe keine anderen Ambitionen“, sagte Weil am Sonntag dem NDR-Regionalmagazin „Hallo Niedersachsen“ laut Internetseite des Senders.

Manuela Schwesig, 45

Knapp zwei Jahre ist es her, dass Manuela Schwesig kurzfristig von Berlin nach Schwerin wechselte: Sie übernahm das Amt der Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern und gab dafür den Posten der Bundesfamilienministerin auf. Schwesig gehört zur Riege der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, dem Landesverband im Nordosten steht sie vor. Schwesig ist verhältnismäßig jung, ihr Einfluss in der Bundespartei dürfte noch zunehmen. Eigentlich müsste die gelernte Finanzbeamtin erst einmal eine Landtagswahl gewinnen. Das Landesparlament in Mecklenburg-Vorpommern wird 2021 neu bestimmt. Auch für Schwesig gilt: Das Amt der SPD-Chefin wäre mit dem der Ministerpräsidentin nur schwer vereinbar.

Hubertus Heil, 46

Als Bundesarbeitsminister besetzt Heil eine Schlüsselposition für die Sozialdemokraten. Gerade versucht er mit seinem Projekt einer Grundrente, die SPD wieder näher an die Arbeitnehmerschaft heranzuführen. Der Sozialwissenschaftler war bereits zweimal SPD-Generalsekretär. Für einen Neustart wird die Partei kaum auf Heil verzichten können, wobei er vermutlich eher für eine herausgehobene Funktion in der Bundestagsfraktion infrage käme. Sollte jedoch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil neuer Parteichef werden, könnte das Heils weiterer Laufbahn im Wege stehen. Denn Heil stammt ebenfalls aus Niedersachsen. Der Regionalproporz dürfte in der SPD-Führung auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Kevin Kühnert, 29

Der Juso-Vorsitzende gilt als einer der vehementesten Kritiker der schwarz-roten Koalition. Im vergangenen Jahr kämpfte er gegen ein Regierungsbündnis mit der Union. Am Ende konnte er sich nicht durchsetzen - aber aus dem eher unbedeutenden Chef der Nachwuchsorganisation war eine wichtige Stimme der Sozialdemokratie geworden. Sollte die Groko infolge des Nahles-Rückzugs scheitern, könnte Kühnert eine führende Rolle in der Partei übernehmen. Im Bundestag sitzt der Berliner bislang nicht. Kühnert macht immer wieder mit dezidiert linken Positionen von sich reden. Erst kürzlich sprach er sich für eine Kollektivierung von Unternehmen aus, ohne die „eine Überwindung des Kapitalismus überhaupt nicht denkbar“ sei.

Matthias Miersch, 50

Der Hannoveraner Abgeordnete ist Fraktionsvize und Chef der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion. In den vergangenen Tagen wurde oft gemutmaßt, dass er Nahles herausfordern könnte. Miersch, promovierter Jurist, ist Umweltexperte. Der rasante Aufstieg der Grünen hat der SPD vor Augen geführt, dass sie bei diesem Thema dringend ihr Profil schärfen muss. Die Zugehörigkeit zum Landesverband Niedersachsen könnte sich für Miersch allerdings als ungünstig erweisen.

Achim Post, 60

Der studierte Soziologe vertritt den Wahlkreis Minden-Lübbecke im Bundestag. Er ist schon jetzt einer der Vizefraktionschefs und Vorsitzender der zahlenmäßig starken NRW-Landesgruppe. Seine nordrhein-westfälische Herkunft könnte sich als Vorteil erweisen, wenn weitere Posten zu verteilen sind. Post ist auch ehrenamtlicher Generalsekretär der europäischen Sozialdemokraten. Seit Jahrzehnten befasst er sich mit Europapolitik.