Der VfB Stuttgart hat mit seinen Fans ein gewaltiges Gut im Rücken. Mit einer aktuellen Aktion läuft der Club allerdings Gefahr, einige Sympathien zu verspielen. Die Ultras beziehen klar Stellung.

Sport: Philipp Maisel (pma)

Stuttgart - Die „Karawane Cannstatt“ ist jedem VfB-Fan ein Begriff. Der Marsch zum ersten Saisonheimspiel aus Bad Cannstatt in den Neckarpark zum Stadion ist eine Institution. Tausende laufen mit. Ein durchaus imposantes Bild entsteht, wenn sich der Menschenstrom auf der Mercedesstraße plötzlich teilt, nur um dann Sekunden später aufeinander zuzuspringen. Videos von vergangenen Karawanen haben zigtausend Klicks auf den gängigen Videoplattformen. Es gibt kaum eine vergleichbare Aktion in Fußball-Deutschland in dieser Größe. Ins Leben gerufen von Fans für Fans.

 

Auch der Club weiß dies geschickt für sich zu nutzen. VfB-Sportchef Michael Reschke vergibt kaum eine Gelegenheit um zu betonen, wie wichtig ein vom Verein produziertes Video der Karawane war, um Neuzugänge wie Borna Sosa und Pablo Maffeo zu zeigen, was sie hier in Stuttgart erwartet. Mit durchschlagendem Erfolg, schließlich haben die beiden Toptalente bei den Weiß-Roten unterschrieben. Das Video, einst von Reschkes Vorgänger Jan Schindelmeiser initiiert, wirkt.

VfB-Marketing versucht die Aktion der Fans für sich zu nutzen

Die Marketingabteilung des VfB geht jetzt noch einen Schritt weiter. „Die unglaubliche Bedeutung, die der VfB für die Menschen in der Region, zeigt sich Jahr für Jahr auch durch diese einzigartige Aktion“, wird Reschke auf dem VfB-Kanal auf Instagram zitiert. Verbunden mit dem Aufruf „Alle in Weiß“ – der wohlgemerkt nebst des Protestes gegen die Abschaffung der 50 +1-Regelung von den Ultragruppen rund um das Commando Cannstatt schon vor über zwei Wochen so als Motto für die Karawane kommuniziert wurde – wurde ein Bild der Aktion gepostet. Darauf verlinkt: Mehrere Verweise direkt in den Fanshop des Bundesligisten.

Die Ultras sind entsprechend irritiert. „Wir freuen uns darüber, dass der VfB Stuttgart durch seine lebendige Fankultur bei Spielern einen bleibenden Eindruck hinterlässt. […] Was uns aber irritiert und sprachlos zurücklässt, ist die kommerzielle Ausschlachtung unserer Karawane auf den Social-Media-Plattformen des VfB“, heißt es in einer Klarstellung des Commando Cannstatt auf der Webseite der Gruppierung. „Die Karawane ist eben kein Social-Media-Post mit verlinkter Werbung zu Artikeln aus dem VfB-Sport-Shop. Sie ist der Saisonstart der Cannstatter Kurve, das Versprechen die Mannschaft auch in dieser Saison wieder fanatisch zu unterstützen“, heißt es weiter.

VfB-Ultras fühlen sich missverstanden

Dass ein Proficlub moderner Prägung heutzutage möglichst viele Einnahmen generieren muss, um seine Wettbewerbsfähigkeit durch Umsätze zu unterstützen, das wissen auch die Ultras. Ebenso, dass ihr Kampf gegen die Kommerzialisierung wohl nicht mehr von Erfolg gekrönt werden wird. Auch beim Club ist man sich bewusst, dass man sich mit der Aktion auf einem schmalen Grat bewegt. Auf Nachfrage wollte sich der Club aber nicht zu Causa äußern.

Dennoch heben die Ultras unermüdlich den mahnenden Zeigefinger, wehren sich mit Vehemenz gegen die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung des einstigen Volkssports. Und sehen sich nun in gewisser Weise missbraucht. Denn die Karawane wurde vor 13 Jahren vom Commando Cannstatt ins Leben gerufen und bis heute wird sie vollumfänglich von der Gruppierung organisiert. Zwar gab es offenbar seitens der Fans im Vorfeld den Wunsch, dass dieses zentrale Element sich wieder mehr in der Kommunikation des Clubs zu seinen Anhängern niederschlägt. Doch es war sicher nicht gewollt, nun als Beschleuniger für Abverkäufe des VfB-Merchandises zu dienen.

Gut möglich, dass eine weitere Reaktion der Ultras noch folgt. Für die am 1. September zum Heimspiel gegen die Bayern stattfindende 14. Karawane haben sie schon angekündigt, „das notwendige Zeichen gegen den allumfassenden Kommerz in unserem Lieblingssport und ein trotziges Statement für den Erhalt von 50+1“ zu setzen.