Niemand kann Obst so malen wie Karin Kneffel. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden zeigt nun noch andere Seiten der erfolgreichen deutschen Malerin.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Baden-Baden - Zum Reinbeißen! So prall und saftig, wie sich das Obst präsentiert, hätte man gute Lust, an den Trauben zu naschen. Allerdings bräuchte es beide Hände, so riesig ist das Obst geraten. Jede einzelne Beere so groß wie ein Ballon, die Äpfel haben sogar einen Durchmesser von gut einem Meter. Da beißt man sich leicht die Zähne aus. Karin Kneffel hat sich einen Namen gemacht als Malerin köstlicher Früchte, die sie auf stattlichen Leinwänden porträtierte. Im Kunstbetrieb wurde ihr Realismus durchaus skeptisch beäugt, das Publikum aber war fasziniert – und gerade bei Sammlern ist Kneffel beliebt.

 

Auch Frieder Burda, der eine Leidenschaft hatte für Malerei mit starken Farben, gehörte schon früh zu ihrer Kundschaft. Entsprechend kommen nur wenige der Gemälde, die derzeit im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen sind, aus Museen, sondern das meiste sind Leihgaben von Privatsammlungen in Düsseldorf, Barcelona, New York – und natürlich aus der Sammlung Frieder Burda. Den prallen Früchten wurde ein schöner Auftritt im Erdgeschoss gewährt.

Karin Kneffel hat immer wieder Motive von Gerhard Richter zitiert

Doch die große Retrospektive zeigt, dass sich Karin Kneffel längst weiterentwickelt hat. Sie wurde 1957 in Marl geboren und studierte erst einmal Germanistik und Philosophie, bevor sie an die Düsseldorfer Kunstakademie ging. Sie wurde Meisterschülerin des berühmten Gerhard Richters – und vermutlich hat es ihrer Karriere durchaus geholfen, dass sie wie der große Meister Schwarz-Weiß-Fotografien abmalte oder sogar Motive von ihm direkt zitierte. Inzwischen ist Karin Kneffel nicht nur selbst Professorin an der Münchner Akademie, sondern auch eine der erfolgreichsten Malerinnen im Land – und zugleich eine der eigenständigsten.

Noch immer ist Karin Kneffel eine Einzelgängerin, die beharrlich an der gegenständlichen Malerei festhält, obwohl doch gerade das Spiel mit den Bildebenen in Mode ist, die zu einer Zerstückelung der Motive führt. In den vergangenen Jahren hat Karin Kneffel auf ihre Weise eine Antwort auf diesen Trend gefunden, indem sie seit einer Weile Räume malt, die sie durch Glas zeigt, über das Regentropfen kullern oder das die Fensterputzer gerade eingeseift haben, sodass sich Schlieren übers Glas ziehen und den Blick verstellen. Die Motive zeigen oft die Stadtvillen von Mies van der Rohe in Krefeld, Wohnzimmer, in denen Gemälde an den Wänden hängen und Skulpturen auf Sockeln stehen. Kneffel stört den Blick auf die Wirklichkeit durch dicke Wassertropfen, an denen sich die Malerei verselbstständigt.

Die Treppe erinnert an das Selbstbewusstsein der Privilegierten

Imposant ist das Hochformat, das eine gewaltige Treppe zeigt, über die sich ein roter Teppich spannt. Sie evoziert feudalen Luxus und eine Zweiklassengesellschaft – und so zentral, wie diese Treppe eingefangen wurde, verrät sie zugleich das Selbstbewusstsein der Privilegierten. Immer wieder tauchen aber auch Putzfrauen auf in Kneffels Welten voller kultiviertem Luxus. Das kann man sozialkritisch deuten, aber vieles geschieht auf den Bildern auch nur, weil es der Künstlerin einfach so in den Sinn kam. Deshalb blitzen auch immer wieder Motive aus Hitchcock-Filmen auf, die sie aus ihrer Jugend kennt. Da spiegeln sich beim Blick aufs Nachbarhaus im Fenster Filmszenen, die gerade im Fernseher zu laufen scheinen.

Karin Kneffel hat auch Teppichmuster auf riesigen Formaten porträtiert, weil sie als passionierte Farbmalerin eine Leidenschaft für Ornamente und kühne Muster hat – und auch gern Sofas und Sessel mit erschlagend knallbuntem Blumendekor malt. Dabei verschiebt sie aber immer auch die Perspektive, blickt aus Fenstern heraus durch Fenster hinein in andere Welten oder verrät nur über die Spiegelung des Bodens, dass gerade zwei Hündchen durchs Zimmer jagen. Und plötzlich wirkt das Vertraute befremdlich – wie etwa bei dem Mann, der sich in einer Cafeteria für ein Nickerchen auf die Bank gelegt hat. Den Schlips hat er über die Augen drapiert, der Burger steht noch unberührt auf dem Tisch.

Das schimpfende Schaf scheint zu fragen, wie wir mit unserer Welt umgehen

Wenn im Schlafzimmer im Fernseher eine Frau zu sehen ist, die mit einem Gewehr hantiert, schleicht sich wie beiläufig auch Gewalt in die Szene ein. Karin Kneffel deutet häufig eine zweite Bedeutungsebene an, zitiert hier die Film- oder die Kunstgeschichte oder erinnert dort mit spiegelnden Böden an Parallelwelten – doch die Spuren, die sie auslegt, führen zu keiner eindeutigen Interpretation. Inhaltlich schürfen die Bilder nicht allzu tief, aber es ist eine verführerische, kulinarische Malerei mit starker Wirkkraft und technischer Brillanz.

Die kleinen, beiläufigen Tierporträts, die Anfang der neunziger Jahre entstanden sind, bringen vielleicht am besten zum Ausdruck, was die Malerei von Karin Kneffel ausmacht: so schlicht sie einerseits wirken mag, so eindrücklich ist sie doch zugleich. Die kunterbunte Tierparade mit fröhlicher Wutz, schimpfendem Schaf und grimmigem Huhn kommt belanglos daher. Und doch scheinen die Blicke dieser Tiere uns Menschen schmerzhaft direkt zu fragen, wie es bestellt ist um diese, unsere gemeinsame Welt.