Auf den Schienenstrecken der Karlsruher Verkehrsbetriebe geht es hoch her; Fahrgäste klagen über zu wenig Sitzplätze. Neue Züge sind seit Jahren bestellt, aber nach wie vor noch nicht für den Betrieb zugelassen.

Karlsruhe - Jahrelang konnten die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und das zweite städtische Tochterunternehmen, die Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG), rasante Wachstumszahlen vorlegen. Fast 260 elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge sind im Nordwesten des Landes im Einsatz. Seit längerem schon aber stoßen Karlsruhes „Zweisystem-Stadtbahnwagen“ offenbar an ihr Limit. Auf Teilstrecken seien sie oft überfüllt, heißt es. Der Vollbetrieb der Stadtbahn Heilbronn steht in Frage.

 

Monatelang gab es Kritik wegen überfüllter Bahnen auf der Linie S 9 im Kraichgau. Leserbriefspalten lokaler Medien waren voll davon. Auf der 2008 komplett sanierten ehemaligen „Westbahn“ des württembergischen Eisenbahnnetzes waren sogar längere Zeit drei Leihfahrzeuge der Saarbahn im Einsatz. Nachdem das Unternehmen in Saarbrücken diese nun für Eigenbedarf zurückgefordert hatte, musste die AVG in Karlsruhe im Dezember 2013 drei dieselbetriebene Fremdfahrzeuge anmieten – ein Unding eigentlich auf einem elektrifizierten Streckenabschnitt.

Sehnliches Warten

Es gibt immer wieder „Beschwerden über ein zu geringes Sitzplatzangebot bei den Stadtbahnen“, bestätigt auch Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclub VCD. Lieb ist in Pforzheim selbst betroffen, dort verkehren die Linien S 5 und S 6, die bis Vaihingen/Enz und nach Bad Wildbad reichen. In der Betriebszentrale in Karlsruhe, aber auch in Heilbronn – wo im Juni der Stadtbahnbetrieb nach Neckarsulm aufgenommen werden soll – wartet man sehnlichst auf 30 neue Züge des Herstellers Bombardier. Die bereits für 2012 zugesagte Lieferung und die Betriebszulassung, sowohl für den innerstädtischen Straßenbahnbetrieb im Gleichstromnetz, als auch auf DB-Schienennetzen mit 15 000-Volt-Netz, hatten sich mehrfach verzögert. Die Fahrzeuge waren schon im Jahr 2009 bestellt worden.

Christian Höglmeier, technischer Geschäftsführer der AVG, sieht derzeit nicht nur den besagten Vollbetrieb der Heilbronner Streckenabschnitte gefährdet. Allein auf der neu gebauten Strecke Heilbronn-Nord sind von Juni an 15 der neuen Zweisystem-Stadtbahnwagen vorgesehen. Auch auf der im Dezember 2010 neu eröffneten Strecke ins pfälzische Germersheim seien zusätzliche Fahrzeuge fest eingeplant. Wegen der Engpässe im Fahrzeugpool müssten Modernisierungen an Bestandsfahrzeugen hintangestellt werden.

Geharnischte Kritik

Dass die neuen Bahnen noch immer keine Eisenbahnzulassung haben, sei für die AVG „ein unhaltbarer Zustand und dem selbst ernannten Weltmarktführer Bombardier nicht würdig“, sagt Höglmeier. Auch der frühere AVG-Geschäftsführer Walter Casazza, der zum Jahreswechsel zu den Stadtwerken Augsburg abgewandert war, hatte mehrfach geharnischte Kritik geäußert. Erst im Juli 2013 gab es einen „Rollout“, die Inbetriebnahme der ersten zwei Fahrzeuge im innerstädtischen Betrieb – die Verkehrsbetriebe hatten sich aus diesem Anlass mit einer 14-seitigen Broschüre richtig ins Zeug gelegt, und von „einem Quantensprung für die Fahrgäste“ gesprochen. Doch ein dreiviertel Jahr später kehrte wieder Ernüchterung ein.

Nicht bestätigten Informationen zufolge sind bereits alle 30 Fahrzeuge in Karlsruhe, in einer angemieteten Halle im Rheinhafen. Sie warten dort auf die Abnahme. Neun von 30 Stadtbahnen des Herstellers Bombardier seien derzeit für den Straßenbahnbetrieb zugelassen, sagt Höglmeier – in Karlsruhe verkehren davon zwei im Linienbetrieb, zwei weitere im städtischen Netz von Heilbronn.

Neue Regeln für die Zulassung

Nicht nur die aufwendige Zulassung, für das noch vor allem das Eisenbahnbundesamt (EBA) zuständig ist, könnte zu den Problemen beigetragen haben. Offenbar gab es schon bei den Ausschreibungen mit den Anforderungskatalogen an den Hersteller „Zeitdruck bei der Bestellung“. Auch für die Grüne Stadträtin Bettina Lisbach sind bestehende Kapazitätsengpässe ein leidiges Thema. Die 2009 erfolgte Bestellung sei „schon längere Zeit überfällig gewesen“. Aufsichtsräte beider Verkehrsunternehmen, VBK und AVG, hätten das „immer wieder thematisiert und auf die Beschaffung neuer Bahnen“ gedrängt.

Ob bei der Zulassung der Bahnen alles auf den Hersteller Bombardier geschoben werden kann, bleibt in Karlsruhe eine offene Frage. Die vergangenes Jahr vom ehemaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) mit einem „Runden Tisch Fahrzeugzulassungen“ angestoßene Neuregelung bei der Entwicklung und Zulassung neuer Züge jedenfalls dürfte für Karlsruhe zu spät kommen. Danach, so eine Sprecherin des Berliner Ministeriums auf Anfrage, sollen künftig nur noch vier von 23 Prüfkategorien dem Eisenbahnbundesamtes (EBA) vorbehalten bleiben und kurzfristig ein so genannter „Eisenbahn-TÜV“ mit externen Sachverständigen eingerichtet werden.