Was haben Ehemann und Chef mit der Karriere von Frauen zu tun? Eine Managerin spricht über ihre Strategie und die Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

München - Sätze wie diesen sprechen bevorzugt Menschen, die mit sich im Reinen sind. „Es ist toll, Boss zu sein“, sagt Line Hestvik im Brustton tiefer Überzeugung. Die Norwegerin ist Strategiechefin für das globale Sachversicherungsgeschäft der Allianz und damit Taktgeberin eines Bereichs, auf den fast 40 Prozent der Umsätze sowie ein Viertel des operativen Konzerngewinns entfallen und der im Fokus der aktuellen Digitalisierungsstrategie steht. Die Managerin ist seit sechs Jahren bei der Allianz und hat davor gut ein Jahrzehnt bei skandinavischen Assekuranzkonzernen in Führungspositionen gearbeitet. Das erlaubt Vergleiche. „Es gibt Unterschiede“, sagt die 50-Jährige. In Norwegen sei sie in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. „Ich denke, im Vergleich zu nordischen Ländern herrscht in Deutschland die gesellschaftliche Erwartung, dass Mütter bei den Kindern zu Hause sind.“

 

Auch Hestvik hat zwei Töchter, die mittlerweile erwachsen sind. Als der heutige Allianzchef Oliver Bäte die Norwegerin 2013 nach München geholt hat, sind beide noch zur Schule gegangen. „Das kann ich nicht machen“, sei ihr erster Reflex gewesen, als das mit einem Umzug von Oslo nach München verbundene Jobangebot gekommen ist. Ihr Ehemann habe sie aber ermutigt. „Er war weniger zögerlich als ich“, räumt die Managerin rückblickend ein.

Weibliche Karriereplanung

Wer sie fragt, wie man als Frau vorzugsweise in eine unternehmerische Führungsposition kommt, erhält ziemlich offen und ehrlich klingende Antworten. „Man muss sich den Ehemann gut aussuchen“, ist ihr Rat, der mit einem dezenten Schmunzeln kommt. Ihr Mann hat seine Arbeitskraft reduziert, als die Kinder noch klein waren. „Das ist normal in Norwegen“, sagt die dunkelhaarige Karrierefrau. „Du musst den richtigen Boss haben“, fügt sie hinzu. Sie habe das Glück gehabt, immer von männlichen Vorgesetzten angeheuert worden zu sein, die in ihr nicht die Frau, sondern eine kompetente Führungskraft gesehen haben.

„Es kann auch schiefgehen“, sagt Hestvik zur weiblichen Karriereplanung. Dann müsse man sich eventuell einen neuen Vorgesetzten und Arbeitgeber suchen oder auch einen anderen Ehemann. An Selbstvertrauen mangelt es der Betriebs- und Finanzwirtschaftlerin, die mit 36 Jahren erstmals in Vorstandsränge aufgestiegen ist, offenkundig nicht. Um in Deutschland bei Unternehmen mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, brauche es verpflichtende Quoten und aktive Unterstützung beispielsweise in Form flächendeckender Versorgung mit Kindergärten, glaubt Hestvik. Das sei in Norwegen auch nicht anders gewesen.

Aus Fehlern lernen

Es liege aber zum Teil auch an den Frauen selbst, wenn sie beruflich nicht in Spitzenpositionen kommen, findet die Managerin. „Frauen trauen sich zu wenig zu“, beobachtet sie. Wer es in deutschen Unternehmen zu etwas bringen wolle, müsse dorthin gehen, wo es wehtun kann. Das seien nicht die Personalressorts, sondern Bereiche wie Produktentwicklung, Vertrieb oder Strategie, sagt die Managerin aus der zweiten Führungsebene der Allianz.

Ohne das Herzstück eines Unternehmens zu kennen, gehe es nicht aufwärts, betont Hestvik. Aus Fehlern lernen gehöre dazu. Da würden in der männlich dominierten Arbeitswelt hierzulande feine Unterschiede gemacht. An der Ansicht, dass Gleichberechtigung erst dann erreicht ist, wenn Frauen die gleichen Fehler zugestanden werden wie Männern, sei etwas Wahres dran, sinniert die Norwegerin.

Einen typisch weiblichen Managementstil kann die 50-jährige nicht ausmachen. Unterschiedliches Denken zwischen männlichem und weiblichem Führungspersonal gebe es aber schon: „Frauen wollen primär ihren Job gut machen, Männer denken an den nächsten Karriereschritt.“