Nach dem Angriff radikaler Klima-Aktivisten auf ein Bild von Claude Monet in Potsdam ist die Empörung groß. Museen fragen sich, wie sie gegen solche Attacken vorgehen sollen.

Nachdem die Klimaschützer-Gruppe „Letzte Generation“ am Sonntag im Potsdamer Museum Barberini das Bild „Getreideschober“ des impressionistischen Künstlers Claude Monet mit Kartoffelbrei beschädigt hat, bleibt das Haus bis zum 30. Oktober geschlossen. „Wir werden in dieser Zeit überlegen, wie wir die Sicherheit erhöhen können“, sagte der Museumsgründer und Kunstmäzen Hasso Plattner den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“. Aber nicht nur in Potsdam macht man sich derzeit Gedanken, wie man die wertvollen Kunstschätze künftig vor derartigen Attacken sichern kann, auch in anderen großen Häusern wird beratschlagt.

 

Ist das Sicherheitskonzept von Museen noch zeitgemäß? Tatsache ist: „Der Übergriff auf ein Werk der Sammlung Hasso Plattner ebenso wie vorangegangene Attacken auf Kunstwerke, unter anderem in der National Gallery in London, haben gezeigt, dass die hohen internationalen Sicherheitsstandards zum Schutz der Kunstwerke bei aktivistischen Übergriffen nicht ausreichen und angepasst werden müssen“, teilte die Barberini-Direktorin Ortrud Westheider mit.

Psychologische Begleitung der Mitarbeiter

Wie sieht diese Sicherheit in der Praxis aus? Gehören Notfallkoffer mit Schutzdecken und Klebstofflöser bald zur Ausstattung eines Aufsehers? Allein mehr Wachpersonal einzustellen, ist für den Geschäftsführer des Deutschen Museumsbundes, David Vuillaume, keine Lösung. Bei solchen Vorfällen sei der Stresspegel der Mitarbeiter sehr hoch; „darauf“, so Vuillaume, „müssen wir die Mitarbeiter vorbereiten und sie auch psychologisch begleiten.“

„Wir haben unser Personal für mögliche Szenarien sensibilisiert. Unsere konkreten Vorkehrungen möchten wir aus Sicherheitsgründen nicht offenlegen“, sagte eine Sprecherin des Kunstmuseums Lenbachhaus in München, das bekannt ist für seine Kunst des Blauen Reiters. „Es sind bereits jetzt keine größeren Taschen im Museum erlaubt. Wir denken darüber nach, wie wir noch aufmerksamer sein können, besonders im Blick darauf, welche Dinge die Besuchenden mitführen“, so Stefan Weppelmann, Leiter des Museums der Bildenden Künste in Leipzig. Museen in Nordrhein-Westfalen wollen Besucher am Eingang stärker kontrollieren. Eine Sprecherin der Kunstsammlungen NRW sagte: „Wir haben uns mit anderen Museen und betroffenen Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht und einen Notfallplan entwickelt.“

Im Oktober bewarfen Aktivisten in London van Goghs berühmte „Sonnenblumen“ mit Tomatensuppe

Im Frankfurter Städel entsprechen die Sicherheitsstandards den „höchsten internationalen Vorgaben“, teilte das Kunstmuseum mit. Ende August hatten sich dort zwei Klimaaktivisten mit jeweils einer Hand an dem Rahmen eines großen Gemäldes festgeklebt. Das Bild „Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe“ von Nicolas Poussin stehe heute symbolisch für den zerstörerischen Kurs der aktuellen Politik, hatte die Gruppe „Letzte Generation“ erklärt.

Die Attacken auf das Museum Barberini in Potsdam und das Frankfurter Städel sind jedoch nicht die einzigen Angriffe auf wertvolle Kunst. Erst Mitte Oktober hatten Klimaschützerinnen Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ von 1888 in der Londoner National Gallery mit Tomatensuppe beworfen. Das Gemälde war mit Glas geschützt, beschädigt wurde nur der Rahmen. Im August traf es die Berliner Gemäldegalerie und ein Bild von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553). Zwei Aktivistinnen klebten sich am Rahmen fest. Zu ähnlichen Aktionen war es Anfang Juli auch in Glasgow und Manchester gekommen.

Verglaste Gemälde sind gut geschützt

Die Attacken in Glasgow und Manchester waren für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) der Anlass, um Schutzmaßnahmen für die Kunstwerke umzusetzen: „Die Werke werden durch verschiedene bauliche, technische und auch organisatorische Maßnahmen vor Angriffen geschützt“, teilte die SKD der Deutschen Presse-Agentur mit. Das Sprengel-Museum in Hannover habe Hausmeister, Wachpersonal und die Restauratorin „gebrieft“, sagte dessen Sprecherin Judith Hartstang. Angriffe auf Kunstwerke seien eine Straftat und würden mit einer Strafanzeige geahndet werden. „Die Werke, die zuletzt in London und Potsdam betroffen gewesen sind, waren hinter Glas – wohl der beste Schutz vor Farb-, Suppen- oder Kartoffelbreiangriffen“, erklärte sie. Im Sprengel-Museum gibt es neben Verglasung akustische Bewegungsmelder, Plexiglashauben für Sockel sowie Abstandshalter.

Museen geben aber auch zu bedenken, dass sie möglichst als Ort ohne Barrieren erhalten bleiben möchten. „Ich möchte nicht, dass Museen zu Hochsicherheitszonen werden“, sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), der Zeitung „Die Welt“. „Wir können nicht neben jedes Bild, jede Skulptur einen Wachmann stellen.“ Museen sollten offene, soziale und einladende Orte für alle Menschen sein, dieses Vertrauen sollte man nicht missbrauchen.

Respekt vor der Natur, aber nicht vor der Kultur?

Eine konkrete Gefahr sieht etwa die vom langjährigen Chefredakteur des Magazins „Stern“, Henri Nannen, gestiftete Kunsthalle in Emden in Niedersachsen nicht. Bislang hätten die Aktivisten für ihre Attacken vor allem große Häuser mit Werken Alter Meister gewählt, sagte deren Sprecherin Ilka Erdwiens. Den Vorfall in Potsdam verurteilte sie, weil die Attacke ausgerechnet der Kunst gegolten habe, „die doch dazu dienen soll, die eigene Perspektive, den Blick zu öffnen und das Bewusstsein zu erweitern“ – also für Ideale stehe, welche die Klimaschutzbewegung selbst einfordere.

Der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, sagte dazu: „Wir erwarten von Aktivisten, dass sie nicht nur Respekt vor der Natur einfordern, sondern auch Respekt vor der Kultur haben.“ Ähnlich äußerte sich die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) im „Focus“. „Kunst für den Klimaschutz zu attackieren – das ist aus meiner Sicht definitiv der ganz falsche Weg.“ Der Schaden, so Roth, sei groß „und trifft die Falschen; Protest dürfe radikal sein, aber nicht willkürlich.